Spanien will Ende des Frankreichfluchs
Donezk (dpa) - Auf dem Weg zum historischen Titel-Triple wollen die spanischen Kombinationswirbler endlich auch ihren Frankreichfluch besiegen.
Während die Équipe Tricolore vor dem EM-Viertelfinale verzweifelt neue Kraft aus einem Kabinenzoff beschwört, setzt der Titelverteidiger auf das Ende einer schwarzen Serie. Noch nie gelang den schier unaufhaltsamen Iberern auf der großen Fußball-Bühne ein Sieg über den Angstgegner. „Ich hoffe, dass diese Pechsträhne dann vorbei ist“, sagte Coach Vicente del Bosque vor dem Nachbarschaftsduell am Samstag in Donezk.
Angesichts der internen Streitereien und atmosphärischen Störungen im Team von Nationaltrainer Laurent Blanc glaubt auch Zinedine Zidane nicht an einen Coup seiner Franzosen. „Wir alle wissen, dass Spanien der Favorit ist - nicht nur in dieser Partie, auch für den Titel“, meinte die Fußball-Legende in einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cope.
Dabei weiß Zidane, wie Spanien zu schlagen ist. Der Mittelfeldstratege fügte der Furia Roja im WM-Achtelfinale 2006 mit 3:1 die bislang letzte Niederlage in einer K.o.-Runde zu. „Jeder denkt, dass wir Favoriten sind“, sagte del Bosque, „aber es gibt Belege, dass Frankreich in Pflichtspielen besser ist. Wir müssen abwarten, ob wir die Geschichte verändern können.“ Angesichts von sechs Partien bei WM, EM oder in der Qualifikation ohne Sieg gegen Frankreich scherzte Spielmacher Andrés Iniesta: „Hoffentlich können sie ihr Kasperletheater mit uns am Samstag nicht fortsetzen.“
Die düstere Bilanz kann das Selbstbewusstsein des Barça-Genies aber nicht schmälern: „Wir haben es verdient, Favorit zu sein. Wir haben keine Angst vor Frankreich, aber wir respektieren sie wegen ihres extrem hohen Niveaus.“
Auch wenn Spanien beim 1:0-Zittersieg gegen Kroatien zum Ende der Gruppenphase die gewohnte Qualität vermissen ließ, zeigt sich selbst der Gegner als Fan. „Für einen echten Fußball-Liebhaber ist es eine Freude, ein Geschenk“, schwärmte Blanc, „sie praktizieren einen spektakulären Fußball, der nicht nur Spaß macht, sondern auch effizient ist. Dort müssen wir auch hinkommen, aber wir sind noch weit davon entfernt.“ Sollte die Serie „noch zwei, drei Tage weitergehen, wäre das großartig“, meinte Blanc schmunzelnd.
Dass sein Team dennoch nur als krasser Außenseiter gilt, hat es sich durch das Auftreten auf und neben dem Platz beim 0:2 gegen Schweden selbst zuzuschreiben. „Risse im blauen Haus“ schrieb „Le Monde“, nachdem sich Hatem Ben Arfa lautstark über seine Auswechslung beschwert hatte und mit Trainer Blanc aneinandergeraten war.
Zwar haben die beiden sich inzwischen wieder die Hand gereicht. Doch auch der Krach von Samir Nasri und Alou Diarra offenbarte die bröckelnde Harmonie. Spaniens Verteidiger Sergio Ramos sieht aber keinen Vorteil für sein Team: „Diese Streits passieren in jeder Familie, in jedem Haus und auch in jeder Kabine.“
Gerade aus dem öffentlich gewordenen Kabinengewitter schöpft Frankreich seinen Mut für eine mögliche Sensation. „Das deutet darauf hin, dass es Reaktionen gibt, Aktion und auch ein wenig Spannung. Das ist gut, weil wir das auch gegen Spanien brauchen“, meinte Blanc über die Zwistigkeiten, die inzwischen beigelegt seien: „Es gibt keinen Konflikt.“
Nach dem Ende des französischen EM-Friedens soll mit harten Methoden auch die Harmonie im Spiel des Gegners empfindlich gestört werden. „Gegen Spanien wird es ein Krieg auf dem Platz und wir müssen diesen Krieg gewinnen“, meinte Karim Benzema pathetisch. Es sei in der aktuellen Situation sogar gut, dass der Welt- und Europameister als nächster Gegner warte, betonte Bayern-Star Franck Ribéry: „Was kann besser sein, als einen Favoriten auszuschalten?“
Bei seinem ersten EM-Einsatz steht Innenverteidiger Laurent Koscielny als Ersatz für den gesperrten Philippe Mexès vor der Mammutaufgabe, den spanischen Angriff zu stoppen. Der Arsenal-Profi sieht sich voraussichtlich Chelsea-Angreifer Fernando Torres gegenüber. Dem offensiven Mittelfeldmann Cesc Fàbregas droht als falschem Mittelstürmer erneut die Bank. Er habe immer noch „Zweifel“ über seine Aufstellung, meinte del Bosque am Freitagabend.
An die öffentliche Systemdebatte in der Heimat hat sich der Trainer-Routinier längst gewöhnt. Die zunehmende Medienkritik an den Leistungen seines Teams nervt ihn da schon wesentlich mehr. „Wir wissen nicht zu schätzen, was wir haben. Wir leben in einer Epoche der Extreme“, sagte del Bosque, „wir sind die einzige Mannschaft, die nicht umarmt wird, obwohl sie im Viertelfinale steht.“ Das dürfte die gescholtene Équipe Tricolore ein wenig anders sehen.