Kvist: Mittelfeld-Boss bei den Dänen und beim VfB

Kolberg (dpa) - Wenn die dänische Nationalmannschaft am Sonntag bei der EM gegen Deutschland spielt, ist bei ihr im Gegensatz zu früher nur ein Profi aus der Bundesliga dabei: der Stuttgarter William Kvist.

Trainer Morten Olsen hätte gern viel mehr von seiner Sorte.

Früher hatten es die dänischen Nationaltrainer noch leichter. Da hießen ihre besten Spieler Flemming Povlsen, Brian Laudrup oder Ebbe Sand, und der jeweilige Coach musste am Wochenende nur über die Grenze nach Deutschland fahren, um sie zu beobachten. Am Sonntag hat sie nur noch einen Spieler aus der Fußball-Bundesliga im Team: Kvist vom VfB Stuttgart. Immerhin hat der bei den Dänen den gleichen wichtigen Job wie im Verein: „Er ist der Boss im defensiven Mittelfeld“, sagt Trainer Morten Olsen.

Kvist selbst drückt das etwas anders aus. „Ich bin nicht Messi“, meint er gern. „Ich war nie ein Dribbler, sondern bin mehr ein Kämpfer. Ich mag es, den einfachen Pass zu spielen.“ Vor dem Spiel sagt er auch: „Wir brauchen drei Punkte. Ich hoffe, dass unsere Freunde in Deutschland denken: Das ist okay.“

Wer Kvist zuhört, merkt schnell: Für einen lustigen, gern geistreichen Spruch ist der 27-Jährige jederzeit zu haben. Er ist gleichzeitig aber auch ein sehr ehrgeiziger, strategisch kluger Musterprofi. Mit diesen Eigenschaften ist er wie geschaffen dafür, um in diesem dänischen Team der Taktgeber zu sein.

„Das späte Gegentor gegen Portugal war zwar sehr ärgerlich. Aber wir haben gezeigt, dass wir gegen alle in dieser Gruppe gut spielen und auch punkten können“, meint Kvist. Vor dem letzten Spiel gegen Deutschland noch eine Chance auf das Weiterkommen zu haben, war alles, was die Dänen gewollt hatten vor dem Turnier.

Kvist selbst hat in seiner Karriere gelernt, auf solche Chancen zu warten. Im Nationalteam kam er lange Zeit nicht am früheren Schalker und Olsen-Liebling Christian Poulsen vorbei. Im Zuge der Verjüngung nach der WM 2010 eroberte sich Kvist dann einen Stammplatz. Beim FC Kopenhagen schob ihn Trainer Stale Solbakken anfangs von einer Position zur nächsten. Als der Verein vor zwei Jahren so weit war, dass er auch in der Champions League reüssierte, hatte sich Kvist längst als Kapitän und zentraler Mann im Mittelfeld etabliert.

„Ich habe ihm bei seinem Wechsel zu uns versprochen: In der Bundesliga wirst du jede Woche Champions-League-Niveau haben“, erzählt Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic. „Vielleicht hat er das am Anfang etwas unterschätzt. Aber er ist ein Klasse-Fußballer, ein Klasse-Charakter und hat bei uns alle Erwartungen erfüllt.“

Die Frage ist nur, warum das anderen dänischen Spielern in der Bundesliga zuletzt nicht mehr gelang. Thomas Kahlenberg und Simon Kjaer etwa wurden vom VfL Wolfsburg an den AS Rom und FC Evian verliehen. Der frühere Dortmunder Flemming Povlsen glaubt, dass „der Weg für dänische Spieler nach Deutschland weiter geworden ist. Die dänische Liga und die Nationalelf sind nicht mehr so stark wie früher. Deshalb gucken deutsche Vereine lieber woanders hin“.

Morten Olsen, der früher selbst einmal Spieler und Trainer beim 1. FC Köln war, gefällt das überhaupt nicht. „Je mehr Auswahlspieler in Deutschland, England, Italien, Spanien aktiv waren, desto besser war auch das dänische Team“, sagte er der „Welt“. „Zu viele Spieler aus der dänischen Liga sind nicht gut für die Nationalmannschaft.“