Löw übernimmt Kommando: EM „eingebrannt“
Porto Cervo (dpa) - Der erste EM-Schweiß fließt auf Sardinien, am heißesten wird aber auch im Trainingscamp der Nationalmannschaft über die heftige Pokal-Packung der Bayern diskutiert.
Dass am Sonntag Lukas Podolski und Benedikt Höwedes mit dem Training aussetzen mussten, war im ersten Vorbereitungslager an der idyllischen Costa Smeralda nicht mehr als ein Randthema. Bundestrainer Joachim Löw hatte als Augenzeuge des Dortmunder 5:2-Triumphes gegen die Bayern „vieles gesehen und wird uns genau mitteilen, wo wir die Schraube anziehen müssen“, kündigte Löws Assistent Hansi Flick an.
Schon im Privatjet von Berlin, wo der DFB-Chefcoach das Fehlerfestival seiner großen Bayern-Fraktion live erlebt hatte, nach Olbia dürfte Löw weiter über den irritierenden Auftritt seiner Münchner EM-Kandidaten gegrübelt haben. Chefantreiber Bastian Schweinsteiger ist noch immer weit weg von seiner Topform. Jérome Boateng packte wieder einmal eine der von Löw ungeliebten Grätschen im Strafraum aus. Und Toni Kroos oder Mario Gomez spielten ohne jede Ausstrahlung. Zu allem Überfluss leistete sich auch noch Deutschlands Nummer 1, Manuel Neuer, einen befremdlichen Aussetzer.
Löw hob bei der Beurteilung des nationalen Cup-Finales öffentlich lieber das Positive hervor: „Es gab keine größeren Verletzungen, das ist für mich, für die Nationalmannschaft, für Deutschland gut“, sagte er im ZDF-Interview. Die Formentwicklung seiner Bayern-Spieler kann der Bundestrainer erst zwei Wochen vor dem Turnierstart am 9. Juni gegen Portugal selbst mit beeinflussen, da die acht Münchner EM-Akteure erst nach dem Champions-League-Finale und dem Spiel gegen Holland am 25. Mai die Turniervorbereitung aufnehmen werden.
Zuvor bleibt dem Bundestrainer nur Daumendrücken, dass dem Rekordmeister gegen den FC Chelsea noch der große Wurf gelingt. „Sie sollen ihre Saison abschließen in München und das dort gut zu Ende bringen. Dann werden sie zu uns kommen und sich schnell integrieren“, bemerkte Löw.
Um die Sorgenkinder Podolski und Per Mertesacker kann sich der Trainerstab schon jetzt kümmern. Dem 95-maligen Nationalspieler Podolski steckt noch der Bundesliga-Abstieg mit seinem geliebten 1. FC Köln im Kopf. Abwehrchef Mertesacker muss nach einer Fuß-Operation und monatelanger Fußballpause die Turnierfitness für die Endrunde vom 8. Juni bis 1. Juli in Polen und der Ukraine erst noch nachweisen.
„Ich glaube, er ist noch nicht ganz befreit. Man merkt ihm an, dass ihm der Abstieg noch nachhängt“, hat Teammanager Oliver Bierhoff bei Podolski beobachtet. „Für ihn ist wichtig, dass er seine Familie hier hat und er von Köln abschalten kann“, sagte Bierhoff, der wegen der Blessuren von Podolski (muskuläre Probleme) und Höwedes (Wade) am Sonntag ebenso wie Flick und Torwartcoach Andreas Köpke als Übungspartner für die neun verbliebenen Akteuren einspringen musste.
Mertesacker sei „unglaublich heiß“, stellte Bierhoff nach dem gemeinsamen Training fest. „Er hat sich die EM in den Kopf gebrannt. Er hat sich vorgenommen, hier topfit zu sein.“ Die Bedingungen für Mertesacker und seine Kollegen sind auf Sardinien optimal: Es gibt einen Freiluft-Fitnesspark im Luxushotel mit Blick aufs Meer, einen Trainingsplatz mit einem neuen Rasen, dazu Yoga-Stunden und andere ablenkende Aktivitäten. „Wir wollen eine gute Mischung aus fokussierter Arbeit auf dem Platz sowie im Fitnessbereich und der Erholung“, erläuterte Bierhoff das Konzept.
Am Wochenende stand bei schönstem Sommerwetter aber zunächst das schweißtreibende Training für Tim Wiese & Co. im Vordergrund - bevor es den ersten freien Nachmittag gab. „Die Bedingungen sind sehr gut. Die Spieler, die da sind, arbeiten sehr intensiv. Es ist ein guter Beginn“, erklärte Löw trotz einer Personallage, die so ursprünglich nicht eingeplant gewesen war. „Natürlich hätten wir uns ein volles Hotel gewünscht“, bestätigte Teammanager Oliver Bierhoff.
Die Frage nach dem Sinn des ersten von zwei Trainingscamps, die sich auch die Sportliche Leitung angesichts der nur tröpfchenweise eintreffenden Nationalspieler gestellt hatte, ist jedoch überholt. „Es ist wichtiger, die Spieler da zu haben, anstatt sie zehn oder 14 Tage draußen zu haben und nicht zu wissen, ob sie auch richtig trainieren“, betonte Bierhoff. Zu Wochenbeginn wird sich das Hotel Romazzino füllen: Montag wird Miroslav Klose erwartet - und Dienstag kommt die Spaß-Fraktion der Dortmunder Double-Gewinner. „Dann werden wir in die richtige Arbeit reinkommen“, betonte Chef Löw.