Deutsches Team Löws Nachhilfe für Scholl

Évian. Am Ende seines wieder souveränen Auftritts ballte Joachim Löw am Montagmorgen die Faust: „Wir wissen, wie stark Frankreich ist, aber es ist super, wie es ist.

Joachim Löw während der PRessekonferenz am 4.7.2016 in Évian.

Foto: Christian Charisius

Ich liebe K.o.-Spiele gegen solch starke Mannschaften.“ Der nette Herr Löw wurde nur einmal energisch: Er wies die Kritik von Mehmet Scholl an Urs Siegenthaler vehement zurück und gab dem Fernsehmann Nachhilfe in Sachen Taktik.

Auch am Montag im Medienzentrum in Évian war es immer noch das Thema des Tages: Die vehemente Kritik von Memet Scholl an Löws Taktik gegen Italien. Darauf angesprochen, reagierte Löw erst entspannt: „Das Medienrauschen habe ich mitbekommen. Ich glaube, dass man da geteilter Meinung sein kann. Das ist das Recht von jedem, eine andere Meinung zu haben.“ Dass Scholl aber Löws Scoutingchef Urs Siegenthaler die Qualifikation abgesprochen hatte, fand der Chef nicht witzig. Für Joachim Löws Verhältnisse waren das deutliche Worte: „Ich finde es äußerst negativ, wenn man wertvolle Mitarbeiter aus meinem Stab persönlich angreift. Die internen Abläufe kann niemand von außen beurteilen, ich finde das nicht in Ordnung.“

Später erläuterte der entspannt wirkende Löw noch einmal seine Dreierkette, die er sehr wohl mit Blick auf den Gegner — was Scholl kritisierte — formiert hatte. Löw: „Es wäre doch naiv und unprofessionell, sich nicht nach dem Gegner zu richten.“ Spanien habe das getan. Aber wo ist Spanien jetzt? Natürlich sei das Spiel mit der Dreierkette „ein bisschen zu Lasten unserer Offensivpower gegangen“. Löws rhetorische Frage: „Aber sollen wir stürmen und zur Halbzeit 0:1 hinten liegen?“ Gegen Italien sei Geduld und Intelligenz gefragt gewesen, „weil die immer nach dem gleichen Schema spielen“. Löw: „Italien ist viel einfacher auszurechnen als Frankreich.“

Die französische Sportzeitung “L’Equipe” schrieb am Montag nach Frankreichs Einzug ins Halbfinale: „Fast Perfekt. Jetzt der Everest. Heute beginnt der Sommer. Die Tage starten, auf die wir immer gewartet haben. Die Perspektive ist zauberhaft, aber die Bilanz ist normal.“

Joachim Löw stimmte zunächst in diesen Reigen ein: „Frankreich hat ein überragendes Spiel gemacht, ich glaube, dass sie vor Selbstbewusstsein strotzen und werden in Marseille ein fanatisches Publikum hinter sich haben.“ Die Mannschaft habe Wucht, sei stark und gehöre zu den absoluten Favoriten. „Wir haben Respekt vor den Franzosen, wir wissen, was wir tun müssen“, sagte Löw und zog lächelnd einen Vergleich zum legendären 7:1 im WM-Halbfinale 2014: „In Brasilien haben 200 Millionen hinter der Mannschaft gestanden, da sind wir auch gut mit klar gekommen.“ Dass Löw seine Mannschaft gegen die Franzosen am Donnerstag auf mindestens drei Positionen umbauen muss, ficht ihn offenbar wenig an: „Die Verletzungen registrieren wir, aber das nehmen wir an, wie es ist. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand und thematisieren das gar nicht.“

Löws Personalstand: Mats Hummels ist wegen der zweiten Gelben Karte gesperrt, Mario Gomez wird wegen eines Muskelfaserrisses bei der EM nicht mehr zum Einsatz kommen, auch Sami Khedira fällt mindestens für Donnerstag aus. Eng wird es auch für Bastian Schweinsteiger, der einen Schlag auf sein ohnehin fragiles Knie bekommen hat.

Aber Löw ließ gar nicht erst ein Problem daraus entstehen: Für Mats Hummels ist Benedikt Höwedes die erste Wahl, um Sturmzentrum könnten Mario Götze oder Thomas Müller spielen und falls Schweinsteiger auch ausfallen werde, stünden mit Emre Can und Julian Weigl gute Alternativen zur Verfügung. Wobei er Can mehr lobte, was auch immer das zu bedeuten hat. Auffallend auch nach diesem vierten Auftritt vor den Medien in Évian: Joachim Löw wirkt entspannter denn je. Er ist zwar keine Spur Arrogant, aber die zufriedene Ausstrahlung, das Funkeln seiner Augen, das helle, strahlende Lachen signalisieren deutlich: Hier sitzt ein zufriedener Weltmeistertrainer. Ganz so, wie er es nach dem Titelgewinn auch gesagt hatte: „Dieses Glücksgefühl wird auch ewig bleiben.“