Löws ruhiger „Fixpunkt“: Kroos dirigiert das Spiel

Lille (dpa) - Der Status von Toni Kroos hat vor dem Start in sein viertes Turnier eine neue Dimension erreicht. Der 26 Jahre alte Fußball-Weltmeister hat sich im Zentrum des deutschen Spiels zur einzigen festen Konstante entwickelt.

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Der 65-malige Nationalspieler ist Joachim Löws Chef im Mittelfeld, aber einer ohne Allüren.

Kroos soll das Team am Sonntag in Lille gegen die Ukraine sportlich anführen, als Taktgeber, als Passmaschine, als Verbindungsmann zwischen Defensive und Offensive. „Toni Kroos ist auf dem Platz ein Fixpunkt. Er hat alle Qualitäten, die man benötigt“, sagte der Bundestrainer im deutschen Quartier in Évian-les-Bains über den Mann mit der unscheinbaren 18 auf dem Trikot. Es war ein Ritterschlag.

Als Champions-League-Sieger mit Real Madrid ist Kroos verspätet zum DFB-Team gestoßen. Seinen Platz im Zentrum der Mannschaft hat er aber gleich nach der Ankunft wieder eingenommen. „Ich bin gut im Saft“, berichtete er: „Ich spiele ja praktisch durch.“ Dass von ihm als Weltmeister und Königsklassen-Gewinner nun noch mehr gefordert werde, belastet den ehemaligen Bayern-Profi überhaupt nicht. „Ich bin entspannt, weil es für mich keinen Grund gibt, es nicht zu sein“, sagte Kroos am Samstagabend im EM-Stadion von Lille.

Nervosität kennt der kühle Norddeutsche nicht. „Von mir wurde immer schon relativ viel erwartet“, entgegnet er zur Drucksituation. Löw wird im Mittelfeld wieder besonders auf ihn zählen. Im Gegensatz zum nicht Startelf-fitten Kapitän Bastian Schweinsteiger und auch Weltmeister-Kollegen Sami Khedira, dem bis zu sieben Spiele in 29 Tagen körperlich ebenfalls nicht zuzutrauen sind. Schon beim WM-Triumph 2014 in Brasilien war Kroos der Einzige aus dem Mittelfeldtrio, der durchgehend auf dem Platz stand. Bis auf eine taktische Auswechslung im Halbfinale gegen Frankreich in der Nachspielzeit, als Löw das 1:0 über die Zeit bringen wollte.

Damals in Rio war es übrigens Kroos, dessen präzise Freistoßflanke Mats Hummels ins Tor der Franzosen köpfte. Und Kroos, der Mann mit dem feinen rechten Fuß, wird auch bei der EM als Standardschütze wieder eine Schlüsselrolle einnehmen. „Ich hoffe, dass das wieder eine Waffe von uns wird“, äußerte Kroos. Dann könnte sein erster Sommerwunsch in Frankreich durchaus in Erfüllung gehen. „Natürlich wollen wir Europameister werden“, sagte er.

Ein besonderer Sommer wird es für Kroos so oder so. Seine Frau Jessica erwartet das zweite gemeinsame Kind nach dem zweijährigen Leon. „Wenn alles normal läuft, wird es nach der EM sein“, sagte Kroos. Ob Junge oder Mädchen, das mochte er nicht verraten.

Kroos steht im Fußballstadion gerne im Rampenlicht. Privat meidet er es dagegen lieber. Die Vaterfreuden sind für ihn viel bedeutender als Sieg und Niederlage bei einem EM-Spiel. „Fußball ist wichtig, privat ist immer wichtiger. Wichtiger als die Familie geht nicht.“