Ribéry „in Topform“ soll Chelsea-Beton knacken
Donezk (dpa) - Wie EM-Touristen schlenderten Franck Ribéry und Karim Benzema durch Donezk.
Kurz vor Beginn der erhofften Rehabilitation für die WM-Schmach von 2010 bestaunte das französische Team noch die wuchtige Lenin-Statue im Zentrum und stimmte sich gemütlich auf das Duell mit England ein. Für den ersten Sieg bei einem großen Turnier seit 2168 Tagen setzt die Équipe Tricolore besonders auf Bayern-Star Ribéry, um am Montag den Abwehrbeton à la Chelsea aufzubrechen. „Er hatte seine Probleme in der französischen Mannschaft, aber er ist ein großartiger Spieler und sehr wichtig für dieses Team“, sagte Benzema über den wiedererstarkten Flügelflitzer, „ich habe keinen Zweifel daran, dass er am Montag in Topform sein wird.“
England startet ohne den gesperrten Topstürmer Wayne Rooney defensiv und nur als Außenseiter in die Fußball-EM. „Jedes Team der Welt würde ihn vermissen, er war einer der besten Spieler dieses Jahr in der Premier League“, meinte Kapitän Steven Gerrard.
Bei Frankreich glaubt hingegen auch Idol Zinedine Zidane wegen des starken Angriffs an eine Rückkehr in die europäische Spitzenklasse. „Das Duo Ribéry und Benzema kann die Funken fliegen lassen“, meinte der Welt- und Europameister, „es wird nicht einfach gegen England, aber Frankreich hat die Mittel, etwas Gutes zu machen.“
Nach dem beschämenden Trainingsstreik und dem WM-Vorrunden-Aus in Südafrika sowie dem sieglosen EM-Abschied vor vier Jahren müssen sich Zidanes Nachfolger aber erst langsam wieder die Zuneigung der Fans erarbeiten. „Die Blauen sind auf der Suche nach sportlicher und emotionaler Erlösung“, umschrieb „L'Équipe“ die Aufgabe des Teams von Nationaltrainer Laurent Blanc in Polen und der Ukraine.
Der 46-Jährige führte die Mannschaft zu 21 Spielen ohne Niederlage nacheinander und schaffte dank seiner Autorität nach dem Neubeginn vor zwei Jahren auch den benötigten Stimmungsumschwung. „Wir sind bereit, wieder zu gewinnen, das Verlangen ist zurück“, charakterisierte Ribéry die Veränderung vor dem Duell mit England. Keine 24 Stunden vor Anpfiff kehrten die zuletzt angeschlagenen Mittelfeldspieler Yann M'Vila und Blaise Matuidi bei der Abschlusseinheit in der Donbass Arena ins Training zurück. Einen Startelfeinsatz stufte Blanc aber noch als „schwierig“ ein.
Die Three Lions landeten ihrerseits am Sonntagvormittag aus dem Trainingsquartier in Krakau in der ukrainischen Sommerhitze des Spielorts Donezk und zeigen sich entspannt angesichts des aktuellen Laufs der Franzosen. „So eine Serie ist schon eine Leistung, aber meine Spieler sind davon nicht eingeschüchtert“, meinte Coach Roy Hodgson, der nach dem Rücktritt von Fabio Capello erst vor knapp sechs Wochen das Team übernommen hatte.
Nach den verletzungsbedingten Absagen von Frank Lampard, Gareth Barry und Gary Cahill baute der 64 Jahre alte Hodgson allerdings auch schon einmal für den schlimmsten Fall vor. „Das könnten die tollsten oder die härtesten drei Wochen meiner Karriere werden“, sagte der Routinier, „damit meine ich, wenn meine Spieler mich und mein Team schwer im Stich lassen, wir schlecht spielen und unparteiische Leute denken: Mein Gott, was machen die denn da?“
Damit es anders kommt, setzt Hodgson ähnlich wie der Champions-League-Sieger aus London auf ein straffes Verteidigungskonzept. „Du musst dich viel bewegen, dir den Raum verschaffen, auch wenn es zwangsläufig schwierig ist. Sie wollen einen physischen Kampf, und wir sind bereit dafür“, analysierte Benzema das gegnerische System. Er denke, dass Hodgson bei den sehr defensiv geführten Testspielen „nicht geblufft hat. Wir werden morgen zwei verschiedene Stile sehen“, kündigte Blanc an.
England könne auf diesem Weg dem FC Chelsea nacheifern, diagnostizierte der wegen einer Oberschenkelverletzung zu Hause gebliebene Frank Lampard: „Es gibt viele Gemeinsamkeiten: einen neuen Trainer und einige fehlende Stammspieler aufgrund von Verletzungen oder Sperren.“ Zumindest am Sonntagabend starteten alle Spieler des Kaders das Abschlusstraining in der Donbass Arena - so auch die zuletzt angeschlagenen John Terry und Ashley Cole.
Und sollte es selbst mit dem Chelsea-Defensivrezept nicht klappen, setzen die England-Fans auf die Mystik von „Roy, dem Erlöser“. Eine 30 Meter hohe und acht Tonnen schwere Statue von Hodgson soll - in Dover aufgestellt von einem Wettanbieter - Frankreich an der gegenüberliegenden Küste bei klarer Sicht beeindrucken. Es werde regnerisch, spottete da „L'Équipe, „schade“.