Euro 2016 Sammelhefte zur EM: Schulen gegen Panini-Manie
Vor dem Start der Fußball-EM regt sich Kritik am Marketing des Sticker-Herstellers.
+++Alle Spiele - Alle Tore - Alle Statistiken: direkt im EM-Livecenter+++
Berlin. Gesammelt hat der Mensch schon immer. Waren es früher Beeren, Pilze oder Holz, geht es heute um weniger überlebenswichtige Dinge wie Modellautos, Kugelschreiber, Briefmarken oder vor großen Fußball-Turnieren: Panini-Sticker. Wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaft in Frankreich am Freitag und während des Turniers haben die Fußballbildchen des italienischen Unternehmens unter Kindern wieder Hochkonjunktur. Für Panini ist Deutschland zur EM der wichtigste Markt. Doch der Sticker-Hersteller steht wegen seines Vorgehens an deutschen Schulen in der Kritik.
Um ihre Sammelalben voll zu bekommen, kaufen sich die Schüler nicht nur die Sticker, sondern tauschen sie oder spielen untereinander darum. Dagegen regt sich nun Widerstand an einigen deutschen Grundschulen. So haben laut Medienberichten manche Rektoren etwa in Düsseldorf und Solingen einen Bann gegen die Bildchen in ihren Schulgebäuden ausgesprochen. Die Schüler seien im Unterricht nicht mehr bei der Sache.
Zudem sei es zu Streitereien oder gar Prügeleien um begehrte Sticker gekommen. "Ein Verbot halten wir für Blödsinn", sagt dagegen Regine Schwarzhoff, Vorsitzende des Deutschen Elternvereins. Damit lasse sich das Problem nicht lösen, sondern verlagere sich nur auf andere Objekte der Begierde. "Wesentlich produktiver wäre es, mit den Kindern anhand der Sticker Konfliktlösung einzuüben." Dabei sieht Schwarzhoff aber nicht nur die Lehrer in der Pflicht, sondern auch die Eltern. Diese müssten ihren Kindern beibringen, dass sie nicht alles haben können.
Auch bei Panini stößt das Vorgehen der Schulen eher auf Unverständnis. Verteilungskämpfe unter Schülern gebe es immer - egal ob es um einen Panini-Ronaldo oder um die coolsten Sneakers gehe. "Im Einzelfall sind solche Verbote zwar verständlich, wenn die Sammelleidenschaft der Kinder zu sehr vom Unterricht ablenkt. Die Praxis zeigt aber, dass viele Schulen bei uns Sammelalben eher nachbestellen", sagt Christine Fröhler, Sprecherin von Panini Deutschland.
Über die Agentur Blattwerk Media in Recklinghausen hatte der Verlag deutschlandweit etwa 2.500 Schulen mit Fußball-Sammelheften versorgt. Lehrer konnten diese kostenlos an die Schüler verteilen. Für Panini stellt dieses Vorgehen kein Problem dar. Immerhin hätten die Rektoren der Schulen irgendwann eingewilligt, in eine Datenbank aufgenommen zu werden, um Sponsoring-Artikel zu erhalten. Verbraucherzentralen sehen diese Praxis allerdings kritisch.
"Es ist eine generelle Unsitte, die Mittelknappheit der Schulen für Werbezwecke auszunutzen", kritisiert Michael Hummel, Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen. "Das Vorgehen von Panini halte ich deswegen für sehr problematisch. Die machen das, damit die Kinder anfangen, Geld für Sticker auszugeben. Das steht auch den Lehrern nicht gut zu Gesicht."
Die Vorsitzende des Elternvereins rät den Schulen ebenfalls von einer Verteilung der kostenlosen Hefte ab: "Dahinter verbirgt sich eine Instrumentalisierung der Schüler für kommerzielle Zwecke." Tatsächlich kostet ein Päckchen mit fünf Stickern 70 Cent. Bei insgesamt 680 Klebebildern, die in dem aktuellen EM-Sammelheft Platz finden, kostet ein volles Album mindestens 95,20 Euro - aber nur dann, wenn sich während des Sammelns kein Bild doppeln würde, was jedoch so gut wie unmöglich ist.
Für Panini gibt es keinen Anlass, an der Praxis der kostenlosen Verteilung der Alben auch vor der kommenden Weltmeisterschaft 2018 etwas zu ändern. Immerhin könnten die Heftchen beispielsweise in Mathematik bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung eingesetzt werden. Auch in Geografie wären die Alben hervorragend geeignet, um den Schülern die Länder der Fußballspieler näherzubringen.
"Es geht darum, die Begeisterung der Kinder für bestimmte Themen über den Fußball zu wecken", sagt Fröhler. Eine Förderung des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags durch die Sammelalben sieht die Verbraucherzentrale Sachsen hingegen nicht. Und selbst wenn - die genannten Unterrichtsinhalte ließen sich auch ohne Werbematerial vermitteln.