Schweinsteiger grübelt: DFB-Zukunft im Unklaren

Marseille (dpa) - Der deprimierte Bastian Schweinsteiger zögerte lange mit einer Antwort zu seiner Zukunft im Nationaltrikot. Der 31-Jährige suchte nach den richtigen Worten - und ließ sich dann lieber alle Optionen offen.

Foto: dpa

Mit leiser Stimme, fast flüsternd, sagte der unbeugsame Kämpfer: „Ich habe da nicht drüber nachgedacht. Ich habe die ganze Energie in das Turnier gelegt. Nach den zwei Verletzungen war das nicht so einfach.“ Schweinsteiger verkörperte die tragische Figur beim deutschen Halbfinal-K.o. „Im ersten Halbjahr hatte ich eine schwierige Zeit mit Verletzungen. Ich war froh, hier überhaupt dabei zu sein. Man wird sehen“, sagte der Kapitän.

Statt wie beim WM-Finale als blutverschmierter Gladiator eine neue Heldengeschichte zu schreiben, musste Schweinsteiger über sein großes Missgeschick beim 0:2 gegen Frankreich referieren. Es wurde nichts mit einer weiteren „magischen Nacht“, wie er es am Morgen nach dem Hand-Malheur nannte. „Aber Niederlagen gehören dazu, auch wenn sie schmerzen“, erklärte der Mittelfeldstratege von Manchester United.

Ausgerechnet er selbst leitete bei seinem ersten Startelf-Einsatz in Frankreich die Niederlage ein. Nach einer Ecke von Antoine Griezmann stieg Schweinsteiger zum Luftduell mit Patrice Evra hoch und bekam den Ball unglücklich an die erhobene Hand. Strafstoß für Frankreich, 0:1 durch Griezmann. Es war letztlich die Schlüsselszene.

„Ich versuche, alles reinzulegen, um den Ball abzuwehren“, schilderte Schweinsteiger den ärgerlichen Moment. Von richtigem oder falschem Pfiff wollte er nicht sprechen. „Meine Hand hat da nichts zu suchen, das weiß ich auch. Aber ich wollte nicht mit Absicht ein Handspiel machen.“ Schiedsrichter Nicola Rizzoli aus Italien, kurioserweise auch vor zwei Jahren im Maracanã-Stadion beim WM-Finale der Schiedsrichter, zeigte entschlossen auf den Punkt.

„Die Entscheidungen muss man hinnehmen. Man braucht sich nicht im Nachhinein aufzuregen. Es gibt diese Regel“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw ohne sonderliche Emotionen. Seine Rückkehr zum Weltmeistersystem mit drei Stabilisatoren in der Mittelfeldzentrale um Schweinsteiger ging zumindest vom Ergebnis her nicht auf.

„Bastian hat das gut gemacht, was er an taktischen Vorgaben hatte. Ich wusste nicht, wie lange seine Kräfte reichen. Dafür, dass er so lange verletzt war, hat er uns schon geholfen“, urteilte Löw. Sein Kapitän dirigierte, kämpfte, grätschte, verteilte Bälle aus der Tiefe. Aber Schweinsteiger war nach drei Verletzungen im EM-Jahr am rechten Knie irgendwann einfach platt. Er dominierte nicht mehr.

Mit 38 Einsätzen bei Welt- und Europameisterschaften ist er vor Miroslav Klose nun alleiniger Rekordhalter. Mehr als seine 18 EM-Spiele hat nur Portugals Superstar Cristiano Ronaldo auf der Autogrammkarte stehen. In den schweren Stunden in der Nacht zum Freitag im Stade Vélodrome interessierte das die frühere FC-Bayern-Ikone Schweinsteiger aber alles herzlich wenig.

Der verhinderte Held war als Routinier sogar gefordert, „die anderen Spieler ein bisschen zu trösten“. Ein Mann wie Schweinsteiger, mit einem Elfmeter-Fehlschuss die tragische Figur im Champions-League-Finale des FC Bayern gegen Chelsea 2012, aber in glorreichen Stunden auch umjubelter Alles-Gewinner im Fußball, hat die gesamte Spannbreite seines Sports wie nur wenige Stars erlebt.

„Natürlich ist es sehr enttäuschend, dass du ausscheidest, aber ich glaube, der Weg der Mannschaft geht mit Sicherheit weiter“, sagte Schweinsteiger. Er rang sich im Moment der Enttäuschung als Käpt'n noch ein positives Fazit ab. „Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben.“ Im September 2014 übertrug Löw seinem emotionalen Leader „das Kapitänsamt für die nächsten zwei Jahren“. Und nun?

Am 31. August beginnt für die Nationalmannschaft mit einem Testspiel gegen Finnland die neue Saison. Dann könnten Schweinsteiger und Lukas Podolski, die einst 2004 als Schweini und Poldi die Spaßfraktion im deutschen Fußball starteten, einen großen Abschied bekommen. Nur Lothar Matthäus (150) und Miroslav Klose (137) haben mehr Länderspiele bestritten als Podolski (129) und Schweinsteiger (120).

Oder wollen die beiden Turnier-Oldies wirklich versuchen, sich noch einmal auf den langen Weg Richtung WM 2018 in Russland aufzumachen? Podolski betonte jedenfalls noch in der Nacht, dass er „voll im Saft“ stehe und „auf jeden Fall“ weitermachen wolle.

Man habe mit den Spielern noch nicht über die weiteren Karrieren im Nationaltrikot gesprochen, berichtete Oliver Bierhoff. „Nach so einer Phase braucht jeder erst einmal Zeit und Abstand. Dann schauen wir weiter“, sagte der Manager. Eins ist klar: Zu früh abschreiben sollte man Schweinsteiger als Stehaufmann des deutschen Fußballs niemals.