Spanien sucht einen „Goleador“: Morata prescht vor
Sainte-Martin-de-Ré (dpa) - Nolito umkurvt auf dem Trainingsplatz ein halbes Dutzend Gegenspieler und spitzelt den Ball ins Netz. „Golazo maradoniano!“, schwärmt später die spanische Presse und erinnert euphorisch an das „Jahrhundert-Tor“ von Diego Maradona bei der WM 1986.
Einen wie den argentinischen Superstar hat Spanien nun nicht in seinen Reihen. Ein solider Torjäger würde Vicente del Bosque schon genügen: Der Nationaltrainer sucht einen „Goleador“ für das Turnier in Frankreich. Am besten einen neuen David Villa oder Fernando Torres.
Villa lässt derzeit seine Karriere bei New York City ausklingen, der 34-Jährige hat sich sein Denkmal in der Nationalmannschaft längst gesetzt. 2008 EM-Torschützenkönig, obwohl er beim 1:0-Endspiel-Sieg gegen Deutschland verletzt fehlte. Mit sieben Treffern in fünf Begegnungen schoss Villa „La Roja“ dann 2010 in Südafrika zum ersten WM-Triumph der Geschichte. Niemand hat so oft für die Iberer getroffen - 61 Mal in 97 Spielen.
Torres wäre nur zu gern nochmal zur EM gefahren: Der Stürmer von Atlético Madrid, Siegtorschütze damals im EM-Finale 2008 gegen Joachim Löws Auswahl und Torschützenkönig bei der Titelverteidigung vier Jahre später, fand nicht mehr del Bosques Gnade. Der Nationalcoach konnte sich angesichts des Überangebots in der Offensive so manchen Streichkandidaten leisten - zum Beispiel Diego Costa vom FC Chelsea und Juan Mata von Manchester United.
Del Bosque nominierte dafür neben Nolito von Celta de Vigo auch Alvaro Morata von Juventus Turin, Pedro Rodríguez (FC Chelsea) - und Aritz Aduriz. Einen 35-Jährigen von Athletic Bilbao, der Erstaunliches vorzuweisen hat: 36 Tore erzielte er in allen Wettbewerben der abgelaufenen Saison; nur Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Luis Suárez trafen häufiger. „Er ist im Strafraum ein wahrer Killer und eine Option für die EM“, schrieb die Zeitung „Mundo Deportivo“.
Der sprunggewaltige Knipser muss sich aber wohl zunächst hinter Morata anstellen. Der demonstrierte vor und bei der ersten Übungseinheit der Spanier in Frankreich sein enormes Selbstbewusstsein. Erst meldete er bei einer Pressekonferenz unverblümt seine Ansprüche an. „Ich empfinde Stolz, Mittelstürmer dieser Mannschaft zu sein. Ich habe keine Beschwerden mehr, ich bin topfit und glaube, dass ich es gut machen kann“ betonte der 23-Jährige vor seinem ersten großen Turnier.
Moratas Empfehlung: 27 Tore in seinen 92 Spielen in zwei Jahren Italien. Er ist einer, der Räume aufreißt. Im Training schnippelte er mal lässig den Ball über Torhüter Iker Casillas ins Netz. Der Angreifer steht bei der EM unter genauer Beobachtung von gleich drei Top-Vereinen: von Juve sowie von seinem Ex-Club Real Madrid, der sein Eigengewächs zwischen dem 1. und 15. Juli für 30 Millionen Euro zurückholen kann. Und vom FC Chelsea, der großes Interesse haben soll, falls ihn die „Königlichen“ gewinnbringend abgeben wollen.
„Ich bin ganz ruhig, weil ich ja den Vertrag mit Juventus habe. Ich fühle mich da zu Hause“, versicherte Morata. „Ich bin bei Juve, bis mir jemand das Gegenteil sagt.“ Bis zum 10. Juli kann er sich jedenfalls empfehlen - falls er Spanien ins Endspiel verhilft.