Spaniens EM-Team wartet auf die Stars
Schruns (dpa) - Die Fußball-Welt blickt auf das Champions-League-Finale zwischen Real und Atlético Madrid. Ein älterer Herr mit markantem Schnauzer wird in einem Hotel im österreichischen Schruns ganz genau hinschauen:
Spaniens Trainer Vicente del Bosque sehnt im Trainingslager des EM-Titelverteidigers nicht nur die sieben Nationalspieler der beiden Hauptstadtclubs herbei. Bei der ersten Übungseinheit am Donnerstagabend im Montafon stand lediglich eine Rumpf-Mannschaft auf dem Platz, ergänzt durch einige Nachwuchsspieler.
Spaniens Erfolge auf der europäischen Bühne sind ein Segen für die Clubs - aber auch ein Fluch für del Bosque: Während Bundestrainer Joachim Löw am Lago Maggiore frühzeitig fast alle Spieler des aktuellen Weltmeisters versammeln konnte, muss del Bosque beim Ex-Weltmeister bis Samstag auch noch auf die Asse des FC Barcelona und des FC Sevilla verzichten. Der Landesmeister und der Europa-League-Sieger hatten erst am vergangenen Sonntag das nationale Pokal-Endspiel bestritten.
Zudem bekamen Thiago Alcántara vom FC Bayern München, der einzige Bundesliga-Profi im vorläufigen 25-Mann-Kader, die Torhüter Iker Casillas und David de Gea sowie Álvaro Morata Urlaub bis zum Wochenende. So konnten die Zuschauer in Schrunz, wo sich die Iberer zum dritten Mal nach 2010 und 2012 auf ein Turnier vorbereiten, nur drei Weltmeister von 2010 auf dem Trainingsplatz ausmachen: David Silva von Manchester City sowie Cesc Fabregas und Pedro vom FC Chelsea.
Superstar Andrés Iniesta, der Torschütze des WM-Finales von 2010 und Regisseur aus Barcelona, war nur als Pappkamerad im Schaufenster eines Unterwäschengeschäfts zu bewundern. Es seit fantastisch, so del Bosque, dass im FC Sevilla, Real und Atlético Madrid gleich drei spanische Vereine europäische Endspiele erreicht hätten. „Aber unsere Vorbereitung auf die EM wird dadurch beeinträchtigt.“
Das Testspiel am Sonntag (18.00 Uhr) in St. Gallen gegen Bosnien-Herzegowina wird nicht besonders aussagekräftig sein. In der EM-Vorrunde ist der Titelverteidiger gegen Tschechien, die Türkei und Kroatien dann gefordert.
Etwa 1000 Fans hatten den Spaniern zugejubelt, als der Bus mit der Aufschrift „La Roja“ durch den 3700-Einwohner-Ort rollte. Del Bosque nahm freundlich Begrüßungsgeschenke wie eine Schokoladentorte entgegen. Ein Zuckerschlecken wird die EM für sein Team, das auf den dritten Titel hintereinander hofft, möglicherweise aber nicht.
Angesichts des bitteren Vorrunden-Aus bei der WM 2014 in Brasilien, des Umbruchs in der Mannschaft und der Sorgen in der Offensive versucht del Boque, die Erwartungen zu dämpfen. „Wenn wir das Halbfinale erreichen, wäre ich zufrieden“, hatte er bereits vor dem Flug von Madrid nach Friedrichshafen betont.
„Venga Vicente! Vamos con La Roja“, brüllte ein Mann im roten Trikot am Hoteleingang in Schruns dem Chefcoach zu. Der 65-jährige Trainer lächelte höflich und schüttelte dann weiter viele Hände, während Alpenhörner ertönten und seine Spieler verschwunden waren. Später bedankte sich die Mannschaft via Twitter für den herzlichen Empfang: „Man hat uns eine Kuhglocke als Glücksbringer für die Euro geschenkt!“