Störgeräusche um Équipe tricolore

Berlin (dpa) - Nur allzugern würde sich Didier Deschamps im beschaulichen Stubaital in Ruhe mit seinem 23-Mann-Kader auf die EM vorbereiten. Blasmusik zum Empfang, ein gediegenes Fünf-Sterne-Hotel mit eigenem 700-Quadratmeter-Spa-Chalet: Trainieren wie Gott in Frankreich.

Mit drei Siegen in diesem Jahr sind die Franzosen zur Feinabstimmung nach Tirol gereist, doch die Ruhe ist trügerisch, die Erfolgsserie womöglich auch.

„Der Sturm“, titelte „L'Équipe“. Es geht um Rassismus-Vorwürfe, um wichtige Spieler, die nicht zur Verfügung stehen, um ein „ungesundes“ Klima, wie die französische Sportzeitung diagnostiziert.

Aus der Ferne befeuert der schon als Spieler als „Enfant terrible“ verschriene Eric Cantona die hitzige Rassismus-Diskussion. Andere Ex-Nationalspieler sind nach sechs Gegentoren in drei - wenn auch siegreichen - Testspielen in diesem Jahr in Sorge um die Defensive. Zwei Abwehrspieler fehlen ganz, gleich elf Spieler zählte die „L'Équipe“ auf, die trotz durchaus EM-tauglicher Vita nicht dabei sind. Und das alles nur wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der Heim-EM im Stade de France von Saint-Denis gegen Rumänien.

Vor allem der Zeitpunkt von Karim Benzemas Rassismus-Vorwürfen stößt französischen Medienberichten zufolge innerhalb der Mannschaft auf Unverständnis. Bayern Münchens Kingsley Coman betonte bei einer Pressekonferenz in Neustift: „Es gibt viele Spieler mit unterschiedlicher Hautfarbe in der Mannschaft, mit unterschiedlicher Herkunft. Ich kann hier von Rassismus nichts sehen.“

Benzema hatte in einem Interview Nationaltrainer Deschamps kritisiert und ihm vorgeworfen, „dem Druck eines rassistischen Teils von Frankreich nachgegeben“ zu haben. Unterstützung bekommt der mit 27 Toren in 81 Länderspielen erfolgreichste, aber für die EM ausgemusterte Angreifer mit algerischen Wurzeln von Cantona. Benzema habe nie behauptet, Deschamps sei ein Rassist, dies sei aber verkürzt so dargestellt worden. „So vermeidet man es, Fragen zu stellen“, meinte Cantona in einem Interview der Zeitung „La Libération“.

„Wenn der Rassismus im französischen Sport existiert, was man nicht leugnen kann, dann ist es nicht auf dem Spielfeld oder in den Nationalmannschaften. Sondern in den Führungsinstanzen der Clubs und Verbände, wo die Franzosen der zweiten oder dritten Generation hoffnungslos abwesend sind“, schrieb die Regionalzeitung „Dernières Nouvelles d'Alsace“.

Für Benzema, jüngst mit Real Madrid gefeierter Champions-League-Sieger war die Nichtnominierung ein harter Schlag. Gegen den 28-Jährigen wird seit November ermittelt. Benzema wird beschuldigt, bei der Erpressung von Nationalteam-Kollege Mathieu Valbuena mit einem Sexvideo als Komplize agiert und für die Haupttäter vermittelt zu haben. In einem Interview warf er Valbuena jüngst vor, nicht die Wahrheit zu sagen. Dieser will sich vor Ende der EM nicht äußern. Aus Rücksicht auf die Mannschaft, die am Freitag kommender Woche im Stade de France von Saint Denis gefordert sein wird. Gegner ist Rumänien.

Die Diskussion um Benzema und die Sorgen insbesondere um die Defensive der Équipe tricolore nach den Ausfällen von Abwehrchef Raphaël Varane von Real und Nebenmann Jérémy Mathieu vom FC Barcelona werden bis dahin nicht aufhören. Zudem fehlt im ebenfalls verletzten Lassana Diarra eine weitere wichtige Identifikationsfigur.

Bereits am Freitag und damit einen Tag früher als geplant reist die Delegation zurück in die Heimat. Grund für die Änderung sind die drohenden Fluglotsenstreiks in Frankreich - die allerdings für das Wochenende erst einmal abgesagt worden sind. Unabhängig davon will Deschamps vor dem letzten Testspiel am Samstag in Metz gegen Schottland noch möglichen Reisestress vom Team fernhalten.