Tränen, Tragik, Tradition: Deutsche Niederlagen gegen Italien

Die Geschichte eines Klassikers — vom Jahrhundertspiel 1970 bis zum bitteren WM-Aus 2006 gegen Italien.

Danzig. Das Halbfinale der Deutschen würde ein geschichtsträchtiges sein, soviel stand vor dem Bewerbungsspiel zwischen England und Italien fest. Entweder eine schöne, englische Geschichte mit tollen Erfolgen — bis auf 1966 natürlich — oder eine furchtbare Geschichte. Eine Tragödie, die von Helden mit Schulterbandage erzählt und von zweifelhaften Videobeweisen. Gegen Italien hat die deutsche Elf bei großen Turnieren nie gewonnen. Ein schmerzhafter Blick zurück.

Das Spiel in Dortmund hat schon weit vor dem Anpfiff seinen Aufreger. Auf Betreiben der Italiener wird der Deutsche Torsten Frings für das Spiel gesperrt. Er war zuvor nach dem Viertelfinal-Erfolg über Argentinien auf dem Feld in ein Handgemenge geraten, italienische Medien stellten der Fifa exklusives Bildmaterial zur Verfügung.

Beide Teams liefern sich einen enorm spannenden Kampf — lange ohne Tore. Erst in der 119. Minute behält Andrea Pirlo am Strafraum die Übersicht, schiebt den Ball zu Fabio Grosso, und der trifft zum 1:0 ins lange Eck. Das letzte Aufbäumen der Deutschen beantwortet Italien mit einem Konter. Alessandro del Piero besorgt noch das 2:0. „Wir waren gleichwertig, wenn nicht sogar besser“, sagt Philipp Lahm.

Im Bernabeu-Stadion von Madrid steht es zwischen Italien und Deutschland zur Pause 0:0, weil Antonio Cabrini in der 24. Minute einen Foulelfmeter an den rechten Pfosten schießt. Danach bricht es über Deutschland herein. 0:1 Paolo Rossi, 0:2 Marco Tardelli, 0:3 Alessandro Altobelli. In der 80. Minute ist das Spiel längst zugunsten deutlich überlegener Italiener entschieden.

Paul Breitner hübscht das Ergebnis mit seinem zweiten Tor in einem WM-Finale nach 1974 nur noch auf. Und Trainer Jupp Derwall erklärt: „Es wäre schön, wenn bei aller tiefschürfenden Kritik an dieser WM das Resultat eines Vizeweltmeister-Titels nicht ganz vergessen würde.“

Nach dem 3:2 über England im Viertelfinale beteiligt sich Deutschland am zweiten Jahrhundertspiel des Turniers. Italien-Legionär Karl-Heinz Schnellinger zwingt Italien durch den Ausgleich in der 90. Minute in die Verlängerung. Vor 102 000 Zuschauern im Azteken-Stadion von Mexiko entwickelt sich ein Fußball-Epos. 2:1 Gerd Müller, 2:2 Tarcisio Burgnich, 2:3 Luigi Riva, 3:3 Gerd Müller.

Es ist schließlich Gianni Rivera, der das Spiel bei knapp 50 Grad entscheidet. „Wegen der Erschöpfung sah ich alles nur noch Weiß. Ich sah, wie sich Maier bewegte, aber dabei stand er noch“, erinnert er sich. Franz Beckenbauer war gefoult worden, hielt mit einer Armschlinge trotz der schweren Schulterverletzung durch. Doch der einarmige Kaiser war nicht gut genug.

Bei den WM 1962 in Chile und 1978 in Argentinien erkämpfen die Deutschen immerhin torlose Unentschieden. Auch die beiden EM-Treffen hatten keinen Sieger. 1988 in Düsseldorf gleicht Andreas Brehme mit einem abgefälschten Freistoß den 0:1-Rückstand durch Roberto Mancini aus. Ein Remis hatte etwas Positives: Dem 0:0 in Manchester 1996 folgte der Titel. Der DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke war dabei. Gestern sagte er: „Die Statistik zählt nicht. Wir wollen diesmal eine andere Geschichte schreiben.“