Ukraine im „Rausch“ - Frankreichs Respekt vor Schewa

Donezk (dpa) - Zum Ende des Trainings lieferte der umjubelte Volksheld seinen 6000 ukrainischen Fans auch noch ein emotionales Rührstück. Andrej Schewtschenko schloss seinen Sohn auf dem Rasen des Stadions in Kiew in die Arme und übergab dann dem sechs Jahre alten Timur Schamanow ein Trikot.

Der Sprössling eines Abgeordneten war wegen seines enthusiastischen Jubels bei Schewtschenkos 2:1-Siegtreffer über Schweden zum EM-Auftakt vom ganzen Land ins Herz geschlossen worden. „Slawa Ukraine“ (Ehre der Ukraine), rief der 35-Jährige Stürmerstar den Anhängern zu, die ihn mit „Schewa, Schewa“-Rufen feierten. „Das war die Show von Schewtschenko“, schrieb die „L'Équipe“.

Vor dem zweiten EM-Auftritt Schewtschenkos gegen Frankreich am Freitag (18.00 Uhr) in Donezk versinkt die Ukraine „in einem Rauschzustand“, wie Laurent Blanc erkannt hat. „Die Menschen werden stärker hinter ihrem Team stehen als jemals zuvor. Das wird ohne Zweifel ein hartes Spiel“, konstatierte der französische Nationaltrainer, der mit seiner Mannschaft nach dem müden 1:1 gegen England unbedingt einen Sieg braucht.

Nicht nur die Ukraine liegt Schewtschenko zu Füßen - auch Blanc outete sich vor dem Duell als Fan. „Ich habe kürzlich einen Artikel über "Schewa" gelesen. Darin hieß es, dass er kaum noch gehen könnte und sein Rücken kaputt sei“, sagte der frühere Weltklasse- Verteidiger über den Doppeltorschützen, „nun, gegen Schweden hat er gezeigt, dass großartige Spieler es nie verlernen. Ich bin glücklich für ihn, weil er jemand ist, den ich sehr schätze.“

Es sei eine „großartige Ehre“ gegen Schewtschenko zu spielen, meinte ebenfalls Frankreichs Torhüter Hugo Lloris voller Ehrfurcht. „Wir müssen ihn besonders im Auge behalten, weil er den Unterschied machen kann.“

Erleichtert war der Co-Gastgeber, dass ein Unfall Schewtschenkos in der Nacht zu Dienstag mit seinem Sportflitzer glimpflich ausgegangen war. „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Fitness“, sagte der Angreifer, „vor uns liegt ein wichtiges Spiel, das attraktiven Fußball bereithalten sollte.“

Die Ukraine würde nichts fürchten, meinte Trainer Oleg Blochin mit Blick auf das anstehende Spiel. „Warum sollten wir Angst vor Frankreich haben?“ Allerdings warnte Blochin sein Team vor zu ausschweifender Euphorie. „Wir haben nur ein Spiel gewonnen und einige unserer Jungs schwebten bereits in den Wolken. Ich habe ihnen gesagt, dass es viel zu früh ist, um zu fliegen. Wir haben noch nichts erreicht.“

Das trifft auch auf den Gegner zu. Um sich auf die erwarteten mehr als 30 Grad am frühen Abend in der Donbass Arena vorzubereiten, greift Frankreich dabei zu Spezialtricks: Franck Ribéry und Co. steigen jeden Abend im Trainingszentrum Kirscha für drei Minuten in eine Kältekammer und tragen während der Halbzeit Kühlwesten. An einen Heimvorteil aufgrund des Wetters glaubt Blochin allerdings nicht: „Es ist praktisch unmöglich, sich an diese Hitze zu gewöhnen“, sagte der Coach.

Ausgeschlossen war in den sechs bisherigen Aufeinandertreffen auch ein Sieg der Ukraine gegen den zweimaligen Europameister, fast genau vor einem Jahr kassierte der Co-Gastgeber ebenfalls in Donezk eine 1:4-Niederlage. „Die schwierigen Partien kommen jetzt erst. Die Ukraine spielt zu Hause, das wird auf keinen Fall einfach“, verdeutlichte Frankreichs Linksverteidiger Patrice Evra dennoch.

Allerdings hofft die Offensive um Bayern-Star Ribéry im Vergleich zum ersten Spiel gegen einen sehr defensiven Gegner auf etwas Freiraum für den eigenen Angriffswirbel. „Ich denke, dass sie mehr Fußball als England spielen werden“, meinte Evra, „vielleicht bekommen wir dann mehr Platz.“