Viel Lob für Stark & Co. - Schiedsrichter erste Gewinner

Warschau (dpa) - Die ersten Gewinner der Fußball-EM stehen fest: Die Schiedsrichter. Selten wurde bei einem großen Turnier so wenig über sie geredet. Das beste Zeichen, dass alles in Ordnung ist.

Lediglich der Spanier Carlos Velasco Carballo, am Sonntag für das letzte Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft gegen Dänemark angesetzt, leistete sich im Eröffnungsspiel zwischen Polen und Griechenland einen gravierenden Patzer, als er den Hellenen Sokratis mit Gelb-Rot vom Platz schickte. Der Iberer hat beim dritten Auftritt der DFB-Elf also eine „Bringschuld“, wie Bundestrainer Joachim Löw sagen würde. Noch ein Patzer und für Carballo könnte das Turnier beendet sein. Zu stark ist die Konkurrenz.

„Die Leistungen sind ausgezeichnet“, sagte Herbert Fandel der Nachrichtenagentur dpa nach mehr als einem Drittel aller EM-Partien. „Die Unparteiischen haben die Spiele im Griff, sie kontrollieren sie. Das ist wichtig und erfreulich“, erklärte der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission im Deutschen Fußball-Bund.

Das war in der Vergangenheit häufig anders. Vor allem vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika drehte sich schon nach wenigen Begegnungen nahezu alles um die Pfeifenmänner. „Vergleiche mit der WM 2010 sind absurd“, sagte Fandel, der ein Extra-Lob für die Assistenten übrig hatte. „Gerade die Assistenten machen einen exzellenten Job.“

Ansonsten will und darf sich der Konzertpianist nicht zu den Leistungen seiner Nachfolger äußern. Fandel ist Mitglied einer UEFA-Kommission, die die Auftritte der Schiedsrichter beurteilt. Wie für Stark und seine Kollegen gilt daher auch für Fandel der Maulkorberlass der UEFA - auch wenn es viele positive Dinge zu erzählen gäbe.

Am Donnerstagvormittag standen Wolfgang Stark und Co. schon wieder auf dem Trainingsplatz. Bei windig-kühlem Wetter bereiteten sich die Schiedsrichter in Warschau auf den Vorrunden-Endspurt vor und bekamen kurz vor Ende der Einheit prominenten Besuch. UEFA-Präsident Michel Platini schaute vorbei und beobachtete eine speziell auf das Zusammenwirken von Schiedsrichter und Torrichter ausgelegte Übung.

Nur nicht nachlassen lautet die Devise für die Top-Referees des Kontinents. Die UEFA will erst gar keine Diskussionen um ihre Referees aufkommen lassen. Erst für den 20. Juni, den spielfreien Tag nach Abschluss der Vorrunde, ist eine Pressekonferenz mit UEFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina in Warschau angesetzt.

Der frühere italienische Weltklasse-Referee besuchte am Donnerstagnachmittag mit einigen der zwölf EM-Schiedsrichter das Internationale Sendezentrum IBC in der polnischen Hauptstadt, wollte sich aber noch nicht öffentlich äußern.

In allen Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Fußball-Union klingt die Zufriedenheit mit den EM-Referees aber deutlich durch. Nicht ohne Stolz deutete nach dem Spiel Deutschland gegen Portugal ein UEFA-Spitzenfunktionär auf ein Bild auf seinem I-pad: Es zeigte, wie der Ball nach Pepes Schuss von der Unterkante der Latte genau auf die Linie sprang - im Hintergrund war der Torrichter mit freiem Blick auf die Situation zu sehen.

Zum positiven Bild trug auch Bundesliga-Schiedsrichter Stark bei. Das brisante Duell zwischen Gastgeber Polen und Russland hatte der Ergoldinger sicher im Griff. Auch der Schwede Jonas Eriksson leitete das Duell der Erzrivalen Deutschland gegen Niederlande (2:1) am Mittwochabend in Charkow souverän und unaufgeregt.

Jede sicher geführte Partie bei der EM ist natürlich auch eine Argumentationshilfe der UEFA in der Dauerdiskussion um technische Hilfsmittel im Fußball. Präsident Platini ist ein energischer Verfechter des Systems mit den sogenannten Torrichtern, die im Moment erstmals bei einem großen Turnier getestet werden. „Ich hoffe, dass die Torrichter bleiben. Es ist keine Frage der Torlinientechnologie. Ich bin gegen Technik im Fußball allgemein. Wo fangen wir an, wo hören wir auf?“, hatte der Franzose schon vor Turnierbeginn gesagt - und sich damit gegen die Pläne der FIFA gestellt.