Ungarn und Island unter sich - Schlechter Rasen
Marseille (dpa) - Ein klares 4:0 wie noch vor fünf Jahren im bislang letzten Testspiel-Duell erwartet gegen Island niemand im ungarischen EM-Team um die deutschen Trainer Bernd Storck und Andreas Möller.
Schon wegen der erwartet schlechten Platzverhältnisse in Marseille sind Prognosen vor dem Aufeinandertreffen der EM-Überraschungsteams am Samstag (18.00 Uhr) kaum abzugeben; gefühlt begegnen sich beide Mannschaften auf Augenhöhe. „Das ist wie Stahl gegen Stahl. Die Mentalität der Ungarn ist vergleichbar mit unserer, sie arbeiten sehr hart“, bemerkte Islands Kapitän Aron Gunnarsson.
Für beide Nationen gehe es „nach wie vor um den dritten Platz in der Gruppe“, kommentierte Ungarns Co-Trainer Möller. Trotz des Euphorie weckenden 2:0-Auftakterfolges seines Teams gegen Österreich stellte er nüchtern fest: „Wir haben noch nichts in der Hand.“
Am Samstagabend gegen 19.45 Uhr könnte das schon ganz anders ausschauen. Gelingt den Magyaren der zweite Sieg im zweiten Spiel, wäre das Achtelfinale vorzeitig gesichert. „Wenn wir die Gruppenphase überstehen, wäre das für uns, als hätten wir das ganze Turnier gewonnen“, versicherte Stürmer Krisztián Németh. Adam Szalai, der in der Rückrunde für Hannover 96 auflief, dankte für die Unterstützung in der Heimat: „Es gibt uns eine Menge Energie, dass wir mit dem Rückhalt und so viel Enthusiasmus der Menschen hier spielen können.“
Trainer Storck weiß um die Aufmerksamkeit und den Druck. „Dass die Erwartungshaltung groß ist, ist klar. Wir haben die Euphorie des ersten Spiels, die Freude ist noch in uns.“ Der Coach muss allerdings auf Attila Fiola verzichten. Der 26-jährige Außenverteidiger ist verletzt und verpasst die letzten beiden Gruppenspiele.
Die Isländer wollen einen Tag nach ihrem Nationalfeiertag das beeindruckende 1:1 gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen zum Auftakt vergolden. „Wir gehen in das Match, um es zu gewinnen. Wenn wir das schaffen, können wir noch genüsslicher auf das Portugal-Spiel zurückschauen“, bemerkte Mittelfeldspieler Johann Berg Gudmundsson.
Die Vorbereitung auf die Partie verlief für beide Teams suboptimal. Die obligatorischen Abschlusstrainingseinheiten in der EM-Arena mussten wegen der schlechten Rasenverhältnisse im Stade Vélodrome entfallen, stattdessen stellte die UEFA einen Ausweichplatz in der Stadt zur Verfügung. Schon beim 2:0-Sieg Frankreichs gegen Albanien in Marseille hatten sich Platzprobleme offenbart, noch kurz vor der Fußball-EM waren dort die Rocker von AC/DC aufgetreten.
In die Karten spielen könnte das den spielerisch limitierten isländischen Underdogs, die in Frankreich vor allem auf ihren großen Zusammenhalt schwören. „Dass wir bedingungslos füreinander kämpfen, charakterisiert uns sicher am besten“, sagte der Ex-Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson. „Wir sind alle gute Kumpels, wahrscheinlich mehr als das in anderen Nationalmannschaften der Fall ist, und das hat uns weit gebracht.“
Ein Grund mehr für die beiden isländischen Trainer Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrimsson, keine Änderungen an der Startelf vorzunehmen. Für Augsburgs Stürmer Alfred Finnbogason würde das bedeuten, dass er wieder auf der Bank Platz nehmen müsste.
Das Remis gegen Portugal hat die 330 000 Einwohner kleine Nation in jedem Fall schon in Wallung gebracht; Zehntausende Isländer sind zurzeit in Frankreich unterwegs, um ihr Team zu unterstützen. Auch im EM-Gastgeberland haben die Nordeuropäer viele Herzen gewonnen. „Man hat den Eindruck, dass im Moment jeder auf den isländischen Zug drauf springt und uns unterstützt. Es sind nicht nur die Isländer, die hinter uns stehen“, kommentierte Gudmundsson. Ein Sieg gegen Ungarn würde die Fanschar nochmals rasant wachsen lassen.