Van Basten: Mit seinem Tor war Deutschland geschlagen
Stuttgart (dpa) - „Endlich Rache!“, titelte die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ am Tag nach diesem Tor. Marco van Basten war genau einen Schritt schneller gewesen als der zögerliche Jürgen Kohler, er hatte den Ball von Jan Wouters exakt in den Lauf gespielt bekommen.
Noch im Fallen schoss er ihn am deutschen Torwart Eike Immel vorbei. Von allen 297 Meisterschafts-, Europapokal- oder Länderspieltoren dieses Ausnahmestürmers was das 2:1 in der vorletzten Minute des EM-Halbfinals von 1988 wahrscheinlich das allerwichtigste.
„Dieses Spiel in Hamburg war etwas ganz Besonderes für uns“, sagt van Basten. „Denn ein Sieg gegen Deutschland - und noch dazu in Deutschland - das kommt nicht sehr oft vor.“
Der Mann, der die Niederlande zu ihrem bislang einzigen Titel schoss, ist heute 47 Jahre alt. Sein Legendenstatus ist nahezu unzerstörbar nach dem EM-Triumph vor 24 Jahren, aber van Basten gilt in seiner Heimat bisweilen auch als eigenwillig, stur, zurückgezogen. So gibt der frühere Stürmerstar nur ungern Interviews und hat, wenn er das denn einmal tut, auch keine Probleme damit, Bondscoach Bert van Marwijk oder Spielmacher Wesley Sneijder zu kritisieren.
Auch seine Erinnerungen an 1988 klingen für viele Holländer wie eine blanke Untertreibung. Denn van Bastens Siegtor in Hamburg löste in den Niederlanden die größten Massenfeierlichkeiten seit dem Ende der deutschen Besatzung 1945 aus. Tausende Menschen strömten nach dem Spiel auf die Straßen. Es wurde nie ganz klar, was genau sie dabei empfanden: „Rache“ für die deutschen Verbrechen während des Krieges oder nur „Rache“ für das verlorene WM-Endspiel von 1974? „Hamburg 88 hat für die Holländer eine ähnlich mythische Bedeutung wie Bern 54 für die Deutschen“, schrieb der „Tagesspiegel“ über dieses Spiel.
Gegen van Basten hat in seiner Karriere eigentlich niemand gern gespielt, aber für die Deutschen galt das im Besonderen. „Was für ein geiler Kicker“, sagt selbst sein ewiger Rivale Kohler. Die Revanche bei der WM 1990 gewannen er, Matthäus und Co. zwar mit 2:1. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte van Basten mit dem AC Mailand schon einmal den FC Bayern aus dem Landesmeister-Cup geschossen (1990) und auch das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger zwischen Ajax Amsterdam und dem 1. FC Lok Leipzig quasi im Alleingang entschieden (1987).
Selbst heute gibt van Basten noch gern den Deutschen-Schreck. Im Dezember loste er ihnen die Niederlande, Portugal und Dänemark als EM-Gegner zu. Er selbst musste spontan darüber schmunzeln. Die betroffenen Trainer fanden seine Auslosung nicht ganz so lustig.
Nach diesem Turnier wird van Basten den SC Heerenveen übernehmen. Bei der EM 2008 und der WM davor trainierte er die Niederländer noch selbst, doch beide Male schieden sie nach einer starken Vorrunde im ersten K.o.-Spiel aus. Und so lassen sich van Bastens Karrieren immer aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Es gibt Spieler wie Mark van Bommel, mit denen er sich überwarf. Andere wie Khalid Boulahrouz meinen dagegen, dass allein er die Grundlagen geschaffen habe, von denen sein Nachfolger van Marwijk heute profitiert.
Van Bastens Spielerlaufbahn hat ebenfalls zwei Seiten. Er wurde zweimal Weltpokalsieger und dreimal Europacupsieger mit Milan und Ajax. Sein letztes Spiel bestritt er aber mit nur 28 Jahren, eine schwere Knöchelverletzung zwang ihn schon früh zum Aufhören. Sein Abschied im San-Siro-Stadion war der einzige Moment, bei dem selbst dem gestrengen Fabio Capello auf der Trainerbank die Tränen kamen.
Die EM 88 lief für van Basten jedoch perfekt. Im Finale gegen die UdSSR schoss er aus spitzem Winkel und auch noch volley das 2:0. Es war das Jahrhunderttor eines Jahrhundertstürmers, im Rückblick kann selbst er darüber scherzen: „Ich war schon ein bisschen müde“, erzählt van Basten. „Der Ball kam von Arnold Muhren und ich dachte: Okay, ich kann ihn stoppen und es dann mit all diesen Verteidigern aufnehmen. Oder ich nehme den leichten Weg und riskiere den Schuss.“