Chaos-Club Chelsea hat zwei Titel im Visier

London (dpa) - Der FC Chelsea hat die Europa League inzwischen liebgewonnen. „Die Leute versuchen, diesen Wettbewerb schlecht zu reden“, meint Blues-Ikone Frank Lampard. „Aber wir waren sehr professionell und je dichter man dem Finale kommt, desto besonderer wird's.“

Der entthronte Champions-League-Sieger hat als einziges englisches Team den Sprung ins Halbfinale geschafft - und die launische Millionen-Truppe könnte eine verkorkste Saison doch noch mit zwei Trophäen retten. Beim Nicht-mehr-als-nötig-Auftritt in Moskau gegen Rubin Kasan (2:3) am Donnerstagabend glänzte ausgerechnet Chelseas Dauersorgenkind: „Maskenmann“ Fernando Torres.

Für den spanischen Welt- und Europameister ist die Europa League zum Therapieprogramm geworden: Der hübsche Lupfer zur 1:0-Führung (4. Minute) war das vierte Tor in der dritten Wettbewerbspartie des 29-Jährigen, der nach seinem Nasenbeinbruch gegen Steaua Bukarest immer noch die unheimliche schwarze Maske trägt. Wie ein Phantom hat der dauerkritisierte 58-Millionen-Euro-Mann in dieser Saison schon 19 Pflichtspieltreffer erzielt. „Ist der alte Zauber zurück? Torres spielt derzeit vielleicht seinen besten Fußball seit er bei Chelsea ist“, konstatiert das Boulevardblatt „Daily Mail“.

Nächste Gegner und letzter Gegner vor einem möglichen Finale am 15. Mai in Amsterdam ist der FC Basel, der Tottenham Hotspur mit Lewis Holtby im Elfmeterschießen ausschaltete und erstmals ein Europacup-Halbfinale erreichte. In Moskau stellte das Blues-Wundertüten-Team ohne Bankdrücker Marko Marin mal wieder seine Unberechenbarkeit unter Beweis. Nach dem 3:1 im Hinspiel reichte es zum Weiterkommen. Chelsea wäre aber nicht Chelsea, wenn nicht eine Halbzeit-Zankerei zwischen Lampard und Abwehrchef David Luiz für Negativ-Schlagzeilen gesorgt hätte. Coach Rafael Benítez redete den Vorfall schön: „Es ist immer gut, wenn Profis sich über Dinge streiten, die auf dem Platz passieren.“

Benítez, von den eigenen Fans als „The Interim One“ verspottet, ist inzwischen Meister im Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-Machen. Der Ex-Liverpool-Trainer weiß, dass er nach seinem Blues-Engagement im Sommer einen guten Marktwert besitzt - falls Chelsea an diesem Sonntag das vorweggenommene Finale im FA-Cup gegen Manchester City gewinnt und am Saisonende wie im Vorjahr wieder zwei Titel holt.

Immerhin fehlt die Europa-League-Trophäe noch in der imposanten Pokal-Vitrine des Abramowitsch-Clubs. Und wie im Vorjahr sind die Blues als letztes englisches Team noch international vertreten. Newcastle United gegen Benfica Lissabon und Tottenham Hotspur gegen den nächsten Chelsea-Gegner Basel scheiterten jeweils in ihren Viertelfinals. Der Ex-Schalker Lewis Holtby stand bei den Spurs in der Startelf und musste beim Elfmeterschießen tatenlos mitansehen, wie der erschreckend formschwache Emmanuel Adebayor mit einem übers Tor gejagten Strafstoß zum Buhmann wurde. Für Spott in Fußball-England sorgten vor allem die Tänzel-Schritte des Togoloesen vor dem Fehlschuss.

Wie Holtby ereilte auch Lazio Roms Miroslav Klose das Aus in der Europa League. Der angeschlagene Nationalstürmer wurde gegen Fenerbahce Istanbul erst in der 56. Minute eingewechselt. Auch mit dem Hoffnungsträger reichte es für Lazio vor der erneuten Geisterkulisse nur zum 1:1 - zu wenig nach dem 0:2 im Hinspiel. „Klose spielte beschwert und ist außer Form, hat keinen Rhythmus“, urteilte die Sportzeitung „Corriere dello Sport“. Die „Gazzetta dello Sport“ schrieb melancholisch: „Europa, es bleibt Leere. Alle draußen. Die Leute aus dem Stadion, die Italiener aus Europa.“