Chelsea will Trostpflaster - Eusébios Appell an Benfica
Amsterdam (dpa) - Fast unbemerkt entwischten die Chelsea-Asse nach ihrer Ankunft in Amsterdam in den Bus. Nichts sollte den historischen Großauftrag im Europa-League-Finale gegen Benfica Lissabon stören.
Mit grimmiger Entschlossenheit will der Champions-League-Sieger aus London am Mittwoch die Schmach einer titellosen Saison verhindern und als erster Club beide großen europäischen Pokale gleichzeitig halten. „Wir haben von Anfang an geglaubt, dass wir die Europa League gewinnen können“, sagte Chelseas Interimscoach Rafael Benitez vor seinem internationalen Abschiedsspiel für die Blues und deutete einen Verzicht auf Marko Marin an.
Angesichts sieben vergebener Titelchancen von Chelsea in dieser verkorksten Spielzeit ist der Respekt beim portugiesischen Traditionsclub deutlich geschrumpft. „Chelsea ist nicht mehr das Team, das letztes Jahr die Champions League gewonnen hat. Sie waren weder in Europa noch in der Premier League überzeugend“, ätzte Mittelfeldstar Pablo Aimar, der mit Benfica auf die Europa-League-Sieger Atlético Madrid (2010/2012) und den FC Porto (2011) folgen will. „Die Mannschaft steht nicht hinter seinem Trainer. Wir können es ausnutzen, dass sie nicht als Team spielen.“
Mit zuletzt acht Pflichtspielen ohne Niederlage hat sich der lange schwankende Club von Roman Abramowitsch unter Benitez allerdings gefangen und kann angesichts der fast perfekten Qualifikation für die Königsklasse befreiter aufspielen. „Wir haben diese Saison schon drei Finals verloren“, sagte Innenverteidiger David Luiz vor dem „emotionalen Duell“ mit seinem Ex-Club. „Jetzt haben wir aber eine weitere Chance einen großen Titel zu gewinnen. Das ist eine wichtige Motivation für das fantastische Spiel.“
Im Vorfeld der Partie schwärmten die Chelsea-Profis noch einmal vom allgegenwärtig scheinenden Star-Coach José Mourinho, der nach dieser Saison wohl an die Stamford Bridge zurückkehren wird - die Vorbereitung wurde durch die medialen Dauerspekulationen allerdings nicht gestört. Abgeschottet landeten die Londoner am Dienstag um 12.08 Uhr in der niederländischen Hauptstadt. Bei einem Erfolg am Mittwoch wäre Chelsea erst der vierte Verein, der alle drei europäischen Cups errungen hat. 1971 und 1998 hatten die Blues den 1999 abgeschafften Europapokal der Pokalsieger gewonnen.
Auf dieser Mission flog auch Marin an Bord von Charterflug ZT 7411 mit nach Amsterdam und vertrieb sich im schwarzen Club-Sweater mit großen Kopfhörern und seinem Laptop die Reisezeit. Am späten Dienstagabend zeigte der frühere Bundesligaprofi über mehr als 60 Minuten seine Spielfreude im Abschlusstraining, beim großen Finale wird ihm aber vermutlich nur die Zuschauerrolle bleiben.
„Es ist nicht einfach zu sagen, wenn jemand nicht spielt. Marko spielt im Moment nicht so viel, aber ist ein großartiger Profi“, sagte Benitez. „Er ist im Moment Teil des Kaders, wir werden morgen entscheiden. Ich bin sehr glücklich wie er jeden Tag trainiert und sich präsentiert.“ Marin war nach Oberschenkelbeschwerden zuletzt in das Mannschaftstraining zurückgekehrt.
Definitiv fehlen wird das belgische Top-Offensivtalent Eden Hazard wegen Oberschenkelproblemen. Die Hoffnung auf einen Einsatz von Routinier John Terry (Knöchelverletzung) hat Benitez hingegen noch nicht aufgegeben. „Wir müssen abwarten, wie er sich fühlt“, sagte er.
Lissabon brachte unterdessen Club-Legende Eusébio als lebendes Maskottchen mit nach Amsterdam. „Das einzige, was ich den Spielern sagen kann, ist: Holt den Pokal“, verkündete der 71-Jährige in der Sportzeitung „A Bola“. „Wenn Gott es will, wird Benfica gewinnen. Die Spieler wissen, dass es sich um das Spiel ihres Lebens handeln kann“, sagte der schwarze Panther. „Wir haben großen Respekt für ihn, er ist der König“, betonte Luisão. „Er ist die Referenz, mit ihm zu reisen und Momente zu teilen, ist sehr wichtig für die Mannschaft.“
Vor 51 Jahren hatte Eusébio die Águias ebenfalls in Amsterdam mit zwei Treffern beim 5:3 gegen das schier übermächtige Star-Ensemble von Real Madrid zum bislang letzten großen internationalen Erfolg geführt. Seitdem verlor Benfica alle seine sechs Europapokalfinals. Coach Jorge Jesus weiß um die Sehnsucht nach einer Renaissance auf kontinentaler Ebene - alleine, weil er auf dem Weg in sein Büro auf dem Clubgelände Seixal an rund 40 Bildern vergangener Helden vorbeigeht: „Die Europa League zu gewinnen, wäre ein solch wichtiger Moment in unserer Geschichte.“
Am vergangenen Wochenende hatte Benfica mit der empfindlichen 1:2-Pleite beim FC Porto einen Spieltag vor Saisonende die Tabellenführung an den Erzrivalen verloren. „Das ist überwunden, wir haben den Chip ausgetauscht. Wir sind dabei, zu der Größe zurückzukehren, die Benfica in der Vergangenheit hatte“, betonte Jesus vor dem Abflug. Mittwoch werde „ein großer Tag für Benfica sein“. Der Fluch auf europäischer Bühne soll endlich besiegt werden. Mit lautstarkem Jubel schickten die Benfica-Fans ihre Lieblinge auf die Reise.