Fall Hoeneß wird zur Daueraffäre - Merkel „enttäuscht“
München (dpa) - Selbst die Bundeskanzlerin ist „enttäuscht“ von Uli Hoeneß - den FC Bayern wird die pikante Steuersünde seines Präsidenten ausgerechnet in den wichtigsten Wochen der Rekord-Saison verfolgen.
Der Rechtsbruch des Financial-Fairplay-Verfechters wird für den Rekordmeister sogar zur Dauer-Affäre, der deutsche Fußball präsentierte sich wie ein Kartell des Schweigens. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt machte am Montag keine Angaben über die Länge der Untersuchungen, auch Hoeneß wollte nicht für weitere öffentliche Aufklärung sorgen. Einen Rücktritt schloss der 61 Jahre alte Vereinspatron aus. Stattdessen ging er schon wieder in die Offensive.
Zwei Tage nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bekanntgeworden waren, drohte Hoeneß Medien mit juristischen Schritten. „Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen“, sagte er im „Münchner Merkur“. Einer Münchner Zeitung kündigte der frühere Bayern-Manager an: „Für die wird das richtig teuer.“
Bezahlen muss Hoeneß seine Verfehlung bereits jetzt mit einem beträchtlichen Imageschaden. Zwar schwiegen zahlreiche Größen aus dem deutschen Fußball zur Causa, Angela Merkel (CDU) distanzierte sich jedoch mit deutlichen Worten von ihm. „Viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß, die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Diese Enttäuschung sei natürlich umso größer bei jemandem, der für so viel Positives stehe. Es gebe weiterhin Verdienste des Bayern-Präsidenten. „Aber es ist jetzt durch die Tatsache der Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs eine andere, traurige Facette hinzu gekommen.“
Dagmar Freitag, die Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag, ging sogar noch weiter. „Bisher hat er mit seinen vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Engagements ein durchaus positives Image gehabt, dieses Bild ist weitgehend zerstört“, sagte die SPD-Politikerin der „Mittelbayerischen Zeitung“. „Sein Verhalten kann ich nicht nachvollziehen, Steuern zu zahlen ist Pflicht und nicht Kür.“
Mit Spannung wird der angekündigte Besuch von Hoeneß am Dienstag in der heimischen Allianz Arena beim Halbfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona erwartet. Statements zum schwebenden Verfahren soll es dabei allerdings nicht geben: „Ich werde einige Wochen ins Land ziehen lassen, ehe ich mich äußere“, erklärte Hoeneß. Bei der Pressekonferenz zum Königsklassen-Duell untersagte der Club Fragen zu dem Thema.
Dennoch wird der Fall die Münchner, die nach dem Gewinn des Meistertitels mit Triumphen in Champions League und DFB-Pokal erstmals das Triple holen wollen, wohl noch für längere Zeit begleiten. „Das lässt sich rein zeitlich sehr schwer einschätzen, das hängt immer von der Fallgestaltung ab“, sagte Staatsanwalt Ken Heidenreich der Nachrichtenagentur dpa über das mutmaßliche Ausmaß der Ermittlungen. „Es müssen viele Dinge geprüft werden.“
Heidenreich bestätigte, dass die juristische Maßnahme durch eine Selbstanzeige im Januar aufgenommen worden sei. Zu Details, Summen oder einer angeblich erfolgten Hausdurchsuchung machte er keine Angaben. „Zu Einzelheiten möchten wir uns nicht äußern.“ Begegnet waren sich die Münchner Staatsanwaltschaft und Hoeneß bereits, als der Vereinspatron die Ermittler wegen ihres Vorgehens im Fall der Brandstiftung durch Innenverteidiger Breno harsch attackiert hatte.
Jetzt steht der Moralist Hoeneß selbst am Pranger. Entscheidungsträger der Szene reagierten öffentlich sehr defensiv. Vom Deutschen Fußball-Bund („laufendes Verfahren“), dem von Hoeneß oft kritisierten Weltverband FIFA („kein Kommentar“), der Deutschen Fußball Liga oder beispielsweise Dieter Hundt, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des VfB Stuttgart, gab es keine Aussage.
Ein Spitzenfunktionär wollte sogar seinen Namen nicht im Zusammenhang mit der Affäre lesen. Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ließ sich zumindest entlocken, dass er „ein bisschen geschockt“ über die unerwartete Offenbarung sei. „Wenn man die Fakten nicht kennt und vor allem Uli Hoeneß kennt - ich habe ihn im Laufe der Jahre als ganz großen Menschen kennengelernt - muss man sich zurückhalten“, sagte der frühere Teamchef der deutschen Nationalmannschaft beim Pay-TV-Sender Sky. „Ich bin sicherlich überrascht, aber das ist seine Privatsache, dazu äußere ich mich nicht“, erklärte DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler.
Aus dem Bayern-Aufsichtsrat gab es zunächst keine Stellungnahme über den Vorsitzenden des Gremiums. Vereins-Vizepräsident Rudolf Schels sicherte indes Unterstützung zu: „Als Club stehen wir unverändert zu Uli Hoeneß und wünschen ihm alles Gute für die Klärung der Angelegenheit“, sagte Schels im Bayerischen Rundfunk. Der Verdacht der Steuerhinterziehung sei jedoch eine „private Angelegenheit“. Zu schwebenden Verfahren äußere sich der FC Bayern München nicht.
Ein Sprecher des Hauptsponsors Telekom, für den Finanzvorstand Timotheus Höttges im Aufsichtsrat sitzt, verwies gleichfalls darauf, dass es sich um eine Privatangelegenheit von Hoeneß handele. Herbert Hainer, Vorstandsvorsitzender von Bayern-Anteilseigner Adidas, und VW-Vorstandschef Martin Winterkorn äußerten sich ebenfalls nicht.
Die Bayern-Fans sind gespalten über den Umgang mit Hoeneß. Die überregionale Organisation Club Nr.12 wollte keinen Kommentar abgeben. „Wir sind bestürzt. Er ist für uns der Mister FC Bayern, die gute Seele des Vereins, hat aber anscheinend doch Dreck am Stecken“, sagte Wolfgang Richard, Vorstand des FC Bayern München Fanclub Allgäu der dpa. „Persönlich meine ich, dass es seine private Angelegenheit ist und seine Lebensleistung überwiegt, deshalb will ich ihm nicht den Rücktritt nahelegen. Andere sehen das aber auch anders.“
Die Selbstanzeige hänge mit einem Konto in der Schweiz zusammen, hatte Hoeneß dem „Focus“ gesagt. Dort sorgt der Fall vor allem vor dem Hintergrund früherer Aussagen des Bayern-Präsidenten für deutliche Kritik. „Bis jetzt war er der erhobene Zeigefinger des deutschen Fußballs - doch nun richten sich die Zeigefinger auf ihn selbst“, hieß es im Schweizer „Tages-Anzeiger“. „Uli Hoeneß stürzt von der Kanzel des Moralpredigers“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“.