125 Jahre Fortuna Düsseldorf Aleks Ristic war der lustigste Fortuna-Trainer: „Nimmst du Ball, schlägst du lang“

Düsseldorf · Klötzer, Lucas, Weise, Brei, Meier, Funkel – alles gute Fortuna-Trainer. Doch der größte war natürlich Aleksandar Ristic. Und der lustigste.

18. Juni 1995: Trainer Alexander Ristic erwartet den Schlusspfiff des Spiels in Chemnitz. Die Fortuna war zurück in der Bundesliga – mit Aleks Ristic.

Foto: HORSTMÜLLER GmbH

Der Unterschied zwischen Aleksandar Ristic und allen anderen ehemaligen Fortuna-Trainer ist vielleicht der: Als Fan war man stolz auf ihn. Weil er cool war, clever, lustig – und ein guter Trainer. Weil er, jedenfalls in den besseren Phasen in der Bundesliga, Fortuna größer machte. Weil er vor keinem Kollegen kuschte, nicht vor Daum, nicht vor Heynckes, nicht vor Trapattoni. Als Fortuna einmal mit einer, sagen wir, eher defensiven Taktik 1:0 gegen Gladbach (1996, Elfer von Carlo Werner) gewann, schimpften erst Stefan Effenberg und dann bei der Pressekonferenz auch VfL-Trainer Bernd Krauss über eine destruktive Fortuna: „Kaum zu glauben, dass man gegen eine Mannschaft verliert, die nur  weit schießen und weit werfen kann.“ Worauf Ristic leise, aber trocken konterte: „Sicher, hat Kollege recht, aber klappt leider nur gegen ganz kleine Gegner...“

In dem Zusammenhang kommt mir Friedhelm Funkel in den Sinn, den heute  einige für den besten Fortuna-Trainer aller Zeiten halten. Was er nicht war.  Kein schlechtes Wort über ihn, bei Fortuna war Funkel großartig. Aber früher war er für mich der Inbegriff des Trainer-Spießers. Unvergessen, wie er nach einer Niederlage mit Bayer Uerdingen mit todernster Miene und ganz betroffen sagte, zur Strafe für die schwache Leistung werde nun die Weinachtsfeier der Mannschaft ausfallen. Vollkommen undenkbar, dass Ristic so etwas biederes, braves je öffentlich von sich gegeben hätte.

Im Netz finden sich unter Ristic-Sprüche Sätze wie: „Wenn man das 0:2 kassiert, ist ein 1:1 nicht mehr möglich.“ Das ist nicht unlustig, könnten aber viele Trainer kalauern. Aber zu seinem ungelenken Stürmer Jörg Schuberth zu sagen: „Schöner Name, leider spielt er wie Unvollendete“, hat eine andere Qualität. Ob heute noch viele Trainer mit dem Komponisten Franz Schubert etwas anfangen können? Ristic und sein Verhältnis zu den Spielern ist legendenumrankt und bis heute nicht eindeutig geklärt: War er der Schleifer, der Zyniker, der seine Jungs gerne verbal fertig machte? Oder tat er nur so, und war in Wahrheit sehr menschlich getreu dem alten Klischee von der harten Schale und dem weichen Kern? Viele ehemalige Fortunen haben im Nachhinein Letzteres bejaht, von Mike Büskens und Georg Koch bis zu Carlo Werner und Harry Katemann. Sie beschrieben Ristic als fairen Vorgesetzten, der sich vor allem öffentlich (fast) immer vor seine Spieler gestellt hat. Außerdem haben sie natürlich dutzende witzige Anekdoten mit ihm gespeichert. Und wenn man das Vergnügen hatte, regelmäßig beim Training zuzuschauen, bestätigte sich das: Ristic war streng, aber anständig und sogar fürsorglich. Und lustig. Was freilich nicht Sprüche wie diesen über Sven Backhaus ausschloss, den Rictic einmal beim verbotenen Hobbykick auf einer Wiese erwischte: „Junge hat viele Lampen in Kopf, gehen nur zu selten an.“

Junge, Blinder, Zauberer: Mit diesen drei Namen konnte Ristic auch bei einem 25-Mann-Kader durchaus auskommen. Junge nannte er übrigens auch Spieler, die schon 35 waren. Wobei man sagen muss, dass er sich dieses Vokabular und diese Attitüde bei seinen großen Lehrmeistern Branko Zebec und Ernst Happel abgeguckt hatte.

Manche waren auch nur die „Blinde Nuß“, wie etwa der arme Rudi Wojtowicz, den Ristic einmal nach dem 1:0 des 1. FC Köln (am Ende gewannn Fortuna in Müngersdorf 3:1) wüst  beschimpfte, obwohl Wojtowicz sich gerade mit einer Zerrung am Boden wälzte: „Rudi, wollten wir Abseits spielen, du blinde Nuß.“ Um dann ebenso laut nach dem Fortuna-Einwechselspieler Büskens zu fahnden: „Wo ist Mike?“

Ganz kurz zum Sportlichen: Aleks Ristic hat mit Fortuna drei Aufstiege geschafft und die Mannschaften zwei Mal im ersten Jahr souverän in der Bundesliga gehalten, obwohl die nur die berühmte „bestimmte Qualität“, aber sicher keine sehr große hatten. Sieht man heute Ausschnitte von Spielen, zeigt sich, dass „sein“ Fußball längst nicht so destruktiv-defensiv war, wie man ihn sogar selbst erinnert. Wobei,  rustikal mochte er es schon mal. Bei einem Heimspiel im Rheinstadion vertändelte mal Linksverteidiger Ulf Mehlhorn direkt vor dem Pattexstuhl den Ball, Ristic bellte ihn an, Mehlhorn fragte verzweifelt: „Was soll ich denn machen, Trainer?“ Ristic: „Nimmst du Ball, schlägst du lang, Junge.“

Ein Wort noch zu den Journalisten. Zu denen,  mit denen er regelmäßig sprach, hatte Ristic ein vertrauensvolles Verhältnis. Allerdings auch nur zu denen. Bei der WZ war das vor allem der leider schon verstorbene Heribert Schmitt, zwei Meter groß und deshalb von Ristic stets  „der Lange“ genannt. Als Schmitt einmal bei einer Pressekonferenz verhindert war und ein etwas korpulenterer Kollege ihn vertrat, fragte Aleks als erstes in die Runde: „Wo ist Lange? Ah, hat er Stabile geschickt...“