Fortuna Düsseldorf Tradition! Tradition!
Fortuna Düsseldorf hat jetzt eine neue Traditionsmannschaft. Der Club müht sich, die Fans zurückzuerobern. Und zieht alle Register.
Düsseldorf. „Zehn Minuten länger“, sagt Benno Beiroth, „und wir hätten sie gepackt.“ 72 Jahre alt ist Beiroth heute, drei Bundesliga-Spiele hat der spätere Ligaobmann Anfang der 1970er Jahre für Fortuna Düsseldorf gemacht. Jetzt sitzt er auf der Tribüne in der Esprit Arena, unten strahlt der neu verlegte Rasen in der Sonne, um ihn herum werden die Tribünen gesäubert. Beiroth hat dieses Pokalsieger-Finale des Europacups 1979 gegen den FC Barcelona in Basel noch lebendig vor Augen. 3:4 nach Verlängerung, Barca führt mit Johan Neeskens und Hans Krankl 4:2. Wolfgang Seel trifft - 3:4. „Zehn Minuten länger“, sagt Beiroth noch einmal. „Die waren doch kaputt.“ Geschichte.
Es ist der Stoff, von dem Fans vor allem dann zehren, wenn die Gegenwart etwas blass ist. So wie in Düsseldorf in der vergangenen Saison, als in einem Traditionsverein, der der Fan-Seele mit Typen und Toren wieder ganz nahe gekommen war, über einen Erstliga-Abstieg und viele falsche Personalentscheidungen die Farben wieder blasser geworden waren. Es wurde etwas kühl unter dem Fortuna-Dach, verdiente Kräfte verschwanden nach und nach von der Bildfläche, „Professionalisierung“ war dann meist das Stichwort. Fans mögen solche Worte nicht. Und wenn diese Vorgänge sportlichen Misserfolg rahmen, wenden Fans sich ab. Fortunas Zuschauerzahlen sind zuletzt zurückgegangen.
Problem erkannt, Problem gebannt? Es ist kein Zufall, dass der Zweitliga-Club am Donnerstag seine „neue Traditionsmannschaft Fortuna“ vorgestellt hat. Mit Tom Koster kümmert sich der frühere Pressesprecher um die Ex-Stars und die Vereinsgeschichte(n). „Stück für Stück“ sollen die Helden von einst wieder zusammenfinden. Alles, was lange vernachlässigt wurde, muss erst einmal wieder eingesammelt werden. „Zu einem Traditionsverein gehört eine Traditionsmannschaft“, sagt Fortuna Vorstandschef Dirk Kall, dem der Wind im vergangenen Jahr eisig ins Gesicht geschlagen war. Sich um Tradition zu kümmern, kann da nicht falsch sein.
Schon beim Abschied von Publikumsliebling Andreas Lambertz nach Dresden hatte der Verein auffällig laute Lobeshymnen angestimmt — und mit Lambertz für die Zeit nach seinem Karriereende schnell noch eine Tätigkeit im Club vereinbart. Wie mit Jens Langeneke, der seinerzeit noch nach dem Erstliga-Abstieg etwas unsanft in die Reserve abgeschoben worden war. Jetzt ist er Trainer für Talententwicklung. Und Freitag (ab 17 Uhr) spielt Langeneke an der Seite von Beiroth, Gerd Zewe, Frank Mayer, Robert Palikuca, Dirk Böcker und anderen Ex-Fortunen das erste Spiel der neuen Traditionsmannschaft im Rahmen der Saisoneröffnung im Paul-Janes-Stadion. Gegen eine Auswahl von Fortuna-Fans. Der 90 Jahre alte Matthias Mauritz stößt an. Im neuen Fan-Katalog ist die Retro-Kollektion der Hit. Problem erkannt, Problem gebannt?
Es soll eine generationenübergreifende Fortuna-Mannschaft sein, deren finanzielle Einnahmen nahezu komplett an gute Zwecke verteilt werden. Und es soll ein neues Gefühl im Verein befördern. Ein Verein, der noch immer auf schmalem Grat arbeitet. Der einerseits die Fan-Seele des lange geplagten, aber treu und traditionell veranlagten Stammpublikums streicheln muss. Und sich andererseits um neues Publikum bemüht, das von Event zu Event lebt. Wie sagte einst Kall? „Einen Fußballverein zu führen, ist extrem kompliziert und vielschichtig.“ Da braucht es neben Vernunft auch Wärme. Mit der Traditionself hat der Club die Heizung angeschmissen. Jetzt sollen die Temperaturen steigen.