Al-Hawari: Pionierin des ägyptischen Frauenfußballs
Berlin (dpa) - Die Erfolgsgeschichte begann auf der Bank. Bei Partien in Ägypten saß eine fußballbegeisterte Schülerin immer wieder am Spielfeldrand: Sahar al-Hawari.
„Ich bin auf dem Platz aufgewachsen“, erzählt die Pionierin des ägyptischen Frauenfußballs. Ihr Vater Issat, ein FIFA-Schiedsrichter, nahm die Tochter mit zu den Spielen. Heute sitzt die 53-Jährige im Foyer eines Berliner Hotels, vor ihr liegen zwei Handys. „Ich sagte: Ich will Fußball spielen. Aber das war damals reine Männersache.“ Frauen in Shorts auf dem Platz oder gar als Unparteiische, die Männer-Teams zurechtpfeifen - undenkbar, auch für den Fußballverband des Landes am Nil.
Das hat sich geändert. Ägypten hat mittlerweile zwei Frauen-Ligen, zwölf Erstliga-Clubs und fünf FIFA-Schiedsrichterinnen. Auch auf dem Land gibt es Mädchen-Fußballvereine. „Da kommen die Mütter dann voll verschleiert und die Mädchen stehen auf dem Platz“, erzählt die stellvertretende Leiterin des Goethe-Instituts Kairo, Susanne Baumgart.
„Frauenfußball ist akzeptiert - nicht von allen, aber von einem großen Teil“, sagt al-Hawari. „Das ist auch ein großer Wandel in der Rolle von Frauen in der Gesellschaft.“ Sie hat den Ball ins Rollen gebracht: Al-Hawari gilt als Mutter des Frauenfußballs in Ägypten. „Sie ist das Gesicht“, sagt Baumgart.
„Es war eine große Herausforderung“, berichtet al-Hawari und lächelt breit. Als die FIFA 1991 erstmals eine Weltmeisterschaft der Frauen austrug, begann die energische Ägypterin, Spielerinnen zu suchen. Sie nahm gut zwei Dutzend Mädchen bei sich auf, stellte einen Trainer ein. Konservative und religiöse Gruppen protestierten. „In den ersten Jahren wollte niemand das akzeptieren. Sie sagten: Du bist verrückt. Fußball ist für Jungs, nicht für Mädchen.“
Die Kommunikationswissenschaftlerin ließ sich davon nicht stoppen und bewies einen langen Atem. Sie tingelte mit ihrem Team durchs Land, organisierte Hallenturniere, traf Fußball-Offizielle und Politiker. „Ich habe dafür auf vieles verzichtet“, sagt sie.
„In den späten 90ern kam der Wendepunkt“, erzählt sie. „Die Medien begannen, positiv zu berichten.“ Der ägyptische Verband stellte ein Frauenteam auf, das sich 1998 prompt für die Afrikameisterschaft qualifizierte. Das Team scheiterte in der Vorrunde - doch der Grundstein war gelegt. Im Jahr darauf fand das erste Ligaspiel statt.
Al-Hawari sehe Fußball als Möglichkeit für Mädchen, sich in der arabischen Männerwelt zu etablieren und durchzusetzen, erläutert Susanne Baumgart vom Goethe-Institut, das schon ein Fußball-Camp unter der Schirmherrschaft al-Hawaris organisiert hat. „Wir brechen Regeln und Traditionen auf, wir zeigen Eltern, wie sie Jungs und Mädchen gleich behandeln können“, sagt al-Hawari.
„Fußball kann ein Gradmesser für Gleichberechtigung sein“, bestätigt Sonja Klümper vom Berliner Verein Discover Football, der mit Fußball für Frauenrechte kämpft und die ägyptische Pionierin in dieser Woche für eine Diskussion nach Deutschland eingeladen hat.
Die umtriebige Ägypterin kam als erste Frau in den Vorstand des Fußballverbands EFA, für ihr Engagement wurde sie vom Internationalen Olympischen Komitee ausgezeichnet. Als Mitglied einer FIFA-Kommission rührt sie heute auch in anderen arabischen Ländern die Werbetrommel für den Frauenfußball. In ihrer Heimat gebe es noch viel zu tun, sagt al-Hawari: „Ich bin noch nicht zufrieden.“ Sie will, dass Mädchen in allen Schulen des Landes Fußball spielen.
Politisch ist ihr Land im Umbruch. Die Muslimbruderschaft und radikal-islamische Salafisten dominieren die verfassungsgebende Versammlung, demnächst stehen Präsidentschaftswahlen an. Brutale Ausschreitungen bei einem Fußballspiel haben die Sportwelt erschüttert, auch die Frauen-Ligen pausieren deshalb zurzeit. Die Unsicherheit beeinflusst auch al-Hawaris Arbeit. „Wir machen weiter, können aber nicht voranschreiten. Das ist eine Übergangszeit.“
Fest steht: Sahar al-Hawari will weiterkämpfen. Ihre Energie habe sie von ihrem verstorbenen Vater, sagt sie bestimmt. „Ich habe ihm versprochen, weiterzumachen. Vor welchen Herausforderungen ich auch stehe, was auch immer passiert: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“