DFB-Elf will nach geplatztem WM-Traum Platz 3
Montreal (dpa) - Bundestrainerin Silvia Neid fand ihre Fassung nach dem jähen Ende des WM-Titeltraums als eine der ersten wieder.
„Wir müssen das schnell verarbeiten. Es wird zwei Tage dauern. Aber wir wollen jetzt den dritten Platz und einen guten WM-Abschluss schaffen“, sagte die 51-Jährige nach dem bitteren 0:2 (0:0) im WM-Halbfinale in Montreal. Schon vor dem kleinen Finale am Samstag in Edmonton (22.00 Uhr MESZ) zog Neid ein kleines WM-Fazit: „Ich bin zufrieden und stolz auf meine Mannschaft. Wir haben eine gute WM gespielt und gehören wieder zu den vier besten Teams der Welt. Wir könnten auch erhobenen Hauptes nach Hause fahren, wenn wir Vierter würden.“
Während die erfahrene Fußball-Lehrerin, die als Spielerin, Co-Trainerin und „Chefin“ an allen acht EM-Titeln und zwei WM-Triumphen beteiligt war, schon kurz nach der emotionalen Achterbahnfahrt das Geschehene reflektieren konnte, waren ihr zumeist jungen Spielerinnen dazu kaum in der Lage. Frust und Tränen bestimmten das Bild in der Kabine. „Es hat kaum eine was gesagt“, berichtete Annike Krahn. „Jede muss sich erst selbst wiederfinden.“
Pechvogel Celia Sasic stand später in der Mixed Zone und brachte mit verheulten Augen kaum ein Wort hervor. „Ich fühle mich beschissen“, sagte die 27 Jahre alte Torjägerin nach ihrem persönlichen Alptraum. In der 60. Minute hatte das DFB-Team nach einem Foul an Alexandra Popp einen Strafstoß bekommen. Doch anders als im Viertelfinale gegen Frankreich, als Sasic in der regulären Spielzeit und im Elfmeterschießen eiskalt verwandelt hatte, versagten ihr diesmal gegen US-Torhüterin Hope Solo die Nerven. Sie schoss links am Tor vorbei. „Der Elfmeter war eine riesengroße Chance. Ich wollte das Ding einfach reinmachen. Es hat leider nicht geklappt. Es tut mir so leid, vielleicht wäre das Spiel dann anders ausgegangen“, erklärte die bei der WM mit sechs Treffern dennoch führende Torschützin.
Niemand im Team machte der untröstlichen Sasic einen Vorwurf, im Gegenteil. „Wir bauen sie natürlich auf. Mit ihr sind wir ins Halbfinale gekommen. Dieses Mal hat sie halt mal nicht getroffen. Das ist so im Sport, und das wird sie auch bis Samstag verdaut haben“, meinte Neid. Auch Sasics Frankfurter Teamkollegin Dzsenifer Marozsan betonte: „Celia ist nicht schuld daran, dass wir verloren haben. Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen.“
Spielführerin Nadine Angerer war nach dem vorletzten Länderspiel ihrer unglaublichen Karriere ebenfalls traurig, fand den Sieg der Amerikanerinnen nach Toren von Carli Lloyd (69./Foulelfmeter) und Kelley O'Hara (84.) unterm Strich aber verdient: „Wir hatten bis auf den Elfmeter keine hundertprozentige Torchance. Dann kann man nicht gewinnen“, erklärte die Torhüterin, die im Elfmeterschießen gegen Frankreich noch als Heldin gefeiert wurde. Auch diesmal parierte sie einige Male glänzend, hielt Deutschland im Spiel, war beim Elfmeter von Lloyd aber völlig chancenlos.
Erst der verschossene Elfer, dann der verwandelte und zudem unberechtigte Strafstoß für die USA nur neun Minuten später - das waren die Schlüsselszenen einer temporeichen Partie vor 51 176 frenetischen Fans, in der die deutsche Elf bis auf die ersten Minuten nie richtig Zugriff auf den mit viel Power agierenden Gegner bekam. „Letztlich haben die USA verdient gewonnen, das muss man auch mal sagen“, erklärte Innenverteidigerin Krahn, die an ihrem 30. Geburtstag am (heutigen) Mittwoch lieber zum Finale nach Vancouver als nach Edmonton geflogen wäre.
Krahn mochte aber nicht mehr lange darüber nachdenken, dass ihr Foul an US-Star Alex Morgan knapp außerhalb des Strafraums und der Elfmeterpfiff der Rumänin Teodora Albon unberechtigt war. „Das ist natürlich ärgerlich, weil wir dadurch in Rückstand geraten sind. Aber es ist eine Tatsachenentscheidung. Man kann es nicht mehr ändern.“ Auch Neid haderte nicht lange. Natürlich sei sie „sehr traurig, dass dieser Elfmeter auch irgendwo das Spiel entscheidet“, sagte sie: „Aber was soll ich machen? Mit der Entscheidung müssen wir leben.“
Neids Blick richtete sich schon bald auf das kleine Finale, auch wenn es nur ein kleiner Trost ist. „Es ist ganz gut, dass man noch einmal ein Spiel hat“, sagte sie. Auch Angerer nahm den Kopf schon wieder ein Stückchen höher: „Wir haben eine sehr gute WM gespielt und es verdient, den dritten Platz zu erringen.“