Stolz und Demut: Schröder 40 Jahre bei Turbine

Potsdam (dpa) - Bernd Schröder schwelgt in Erinnerungen. Und davon gibt es reichlich. Schon vier Jahrzehnte trainiert der 68-Jährige die Fußballerinnen vom 1. FFC Turbine. Seit er selbst den Trainerstuhl in Potsdam aufstellte, saß darauf kein anderer.

Am 5. März 1971 gründete der Taktik-Fuchs in der Betriebssportgemeinschaft Turbine Potsdam die Abteilung „Frauenfußball“ und legte damit den Grundstein für eine einmalige Vereinsgeschichte. 40 Jahre, sechs DDR-Titel, viermal Deutscher Meister, drei DFB-Pokal-Siege und ein Champions-League-Triumph später ist Schröder in Potsdam längst eine lebende Legende.

Wenn der Trainer zurückblickt, „überwiegt natürlich vor allem der Stolz auf die Jahre, gepaart mit Demut jenen gegenüber, die auch über schwere Jahre hinweg mitgeholfen haben“. Die Hälfte der Karriere erlebte Schröder in der DDR, ehe er Turbine in der Bundesliga an die Spitze führte. „In zwei so unterschiedlichen Gesellschaftssystemen zu agieren, war nicht leicht. Da sind viele Menschen und Vereine auf der Strecke geblieben“, sagt Schröder der Nachrichtenagentur dpa.

Er meint, mit Potsdam „ein Zeichen gesetzt“ zu haben - trotz großer Schwierigkeiten erfolgreich gewesen zu sein. Die Krönung folgte 2010, als Potsdam mit dem Champions-League-Sieg den größten Triumph feierte.

Schröder gilt als Perfektionist, der seine Schützlinge nicht mit Samthandschuhen anfasst. Auch nach 40 Jahren ist er kein bisschen nachlässig in seiner Trainingsführung. Im Gegenteil: „Man kann sich nicht leisten zu glauben, man habe schon alles erreicht. Wenn man nach so vielen Jahren oberflächlich wird, dann werden alle stutzig.“

Täglich verlangen die „Turbinen“ um die Nationalmannschafts-Stars Anja Mittag, Fatmire Bajramaj und Babett Peter ihrem Coach „den höchsten Grad an Pflichtbewusstsein ab“, betont dieser. Jeder Tag mache dabei natürlich nicht Riesenspaß, denn „die Verantwortung, die man auf den Schultern trägt, ist einfach unwahrscheinlich groß“.

Eine Sache ärgert Schröder, der 1989 beim einzigen Frauenfußball-Länderspiel der DDR an der Seitenlinie stand, heute noch: In den Augen westdeutscher Ausbilder fanden Trainer aus dem Osten kaum Anerkennung, meint der Routinier. „Das war natürlich auch eine Schutzreaktion, deshalb kam es unter den Voraussetzungen für mich nie infrage, Nationalmannschaftstrainer Gesamtdeutschlands zu werden.“ Er konzentrierte sich lieber auf „seinen Auftrag“ in Potsdam.

Und dieser soll noch nicht vorbei sein. Schröder will mindestens ein weiteres Jahr Trainer bleiben und die Turbinen nach der Heim-Weltmeisterschaft weiter betreuen. „Das Jahr nach der WM wird für die Clubs erstmal schwierig, weil unsere vielen Nationalspielerinnen eine ganze Weile weg sind“, prophezeit der Meister-Coach.

Die WM scheint Schröder indes relativ kalt zu lassen, ins Stadion will er nicht gehen: „Ich bin mal froh, wenn ich meine Ruhe habe.“ Von allzu hohen Erwartungen an das Turnier hält er ebenso wenig. „Ich bin viel zu sehr Realist, um zu glauben, dass die WM zu einem euphorischen Neuanfang im Frauenfußball führt.“