System-Kritiker gegen Neid - Plädoyer vom England-Coach

Edmonton (dpa) - Für Silvia Neid ist es eine Stilfrage. Grundsätzlich ist die Bundestrainerin offen für konstruktive Kritik an ihrer Arbeit, doch das öffentliche Vorpreschen einiger Bundesliga-Trainer vor dem Spiel um den drittem Platz gegen England bei der Fußball-WM in Kanada mochte sie nicht gutheißen.

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Die Breitseite aus der Heimat kommt zur Unzeit, weil es die Konzentration und die Vorbereitung auf die Partie gegen England um den dritten WM-Platz am Samstagabend in Edmonton empfindlich störte.

Neid hätte sich gewünscht, dass die Trainer-Kollegen sie persönlich kontaktieren, um Meinungen auszutauschen und mögliche Unklarheiten zu beseitigen. „Ich hätte es einfach gut gefunden, wenn mich meine Bundesliga-Kollegen angerufen und mich gefragt hätten. Dann hätte ich es ihnen erklärt oder wir hätten darüber gesprochen. Vielleicht hätten sie auch noch einen guten Tipp gehabt“, kommentierte Neid die öffentlichen und über die Medien transportieren Äußerungen einiger Bundesliga-Vertreter.

Einige Experten konnten nicht nachvollziehen, dass Neid in der Schlussphase der Halbfinals gegen die USA bei einem 0:1-Rückstand keine frischen Kräfte mehr einwechselte, um noch mal einen Impuls zu setzen. „Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass eine Spielerin auf der Bank uns in dieser Situation hätte weiterhelfen können, dann hätte ich das mit Sicherheit ausgeschöpft. Aber das hatte ich nicht“, erläuterte Neid auf der Pressekonferenz vor dem „kleinen Finale“.

Aus ihrer Sicht aber war ihr Team gegen die USA gut im Spiel: „Wir hatten einen guten Plan. Wir wollten vor allem Überzahl schaffen über die Flügel. Wir wollten das Spiel verlagern und so in die freien Räume kommen. Das hat auch gut geklappt.“

Die Kritik am zu starren System und taktischer Flexibilität teilt die 51 Jahre alte Neid hingegen nicht. „Wenn man unser System anschaut, sieht man, dass wir sehr variabel agieren“, meinte Neid und begründete ihre Sichtweise detailliert, ruhig und sachlich. Das Allerwichtigste sei, „dass sich die Spielerinnen sehr wohl fühlen in unserem System. Jede Spielerin weiß genau was man machen muss, in jeder Situation“, erklärte die Bundestrainerin. „Das ist sehr wichtig für eine Nationalmannschaft, weil man ja nicht das ganze Jahr Zeit hat, irgendwelche Systeme einzustudieren. So wie das vielleicht in den Vereinen der Fall ist.“

Diesen kleinen Seitenhieb auf ihre Kritiker wie Wortführer Colin Bell (1. FFC Frankfurt), Bernd Schröder (Turbine Potsdam) und mit Abstrichen auch Ralf Kellermann (VfL Wolfsburg) konnte sich Neid dann doch nicht verkneifen. „Aber ich freue mich darüber, wenn unsere Vereine weiter gut arbeiten, unsere Spielerinnen weiter gut auch in Technik und Taktik gut ausbilden. Darüber freuen wir uns und dann kann das ja nur positiv weitergehen.“

Die drei Bundesliga-Trainer hatten mehr oder weniger deutliche Kritik am Abschneiden der DFB-Elf, am zu starren 4-2-3-1-System und an mangelnder taktischen Flexibilität geübt. Die Nationalelf sei „zu ausrechenbar“, habe „keinen Plan B, wenn es mal nicht läuft“.

Sehr erstaunt war Englands Coach Mark Sampson. „Silvia Neid ist eine der besten und erfolgreichsten Trainerinnen der Welt, sie macht einen fantastischen Job“, befand der Waliser. In der Spitze des internationalen Frauenfußballs seien die Unterschiede zwischen den Teams nur noch sehr gering. Neid habe dennoch ein Topteam. Deutschland stehe als zweimaliger Welt- und achtmaliger Europameister permanent unter Druck. „Wenn Neid nur für ihre Arbeit kritisiert wird von Colin, dann ist das schon sehr hart.“