Trotz Kritik: DFB gibt Bundestrainerin Neid Jobgarantie

Frankfurt/Main (dpa) - Silvia Neid muss ungeachtet des WM-Scheiterns der deutschen Fußball-Frauen und der teils heftigen Kritik aus der Bundesliga nicht um ihren Job als Bundestrainerin bangen.

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Einen Tag vor dem Spiel um Platz drei gegen England sprach DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock ein Machtwort in der zunehmend hitzigen Debatte. Und auch Neids souveräne Konter ließ nicht lange auf sich warten.

„Ich bin eigentlich dankbar für jede Kritik“, sagte die 51-Jährige am Freitagabend in Edmonton vor dem Abschlusstraining im Commonwealth-Stadion. Sie könne die Einlassungen der Kollegen teilweise auch nachvollziehen. „Ich hätte es nur einfach gut gefunden, wenn mich meine Bundesliga-Kollegen angerufen und mich gefragt hätten. Dann hätte ich es ihnen erklärt oder wir hätten darüber gesprochen“, monierte Neid die öffentlichen und über die Medien transportieren Äußerungen einiger Bundesliga-Vertreter.

In Ottawa habe sie auch Besuch von einem Trainer-Kollegen aus der Liga gehabt, sagte Neid: „Wir haben uns sehr gut unterhalten. Ich denke, so muss es auch gehen. So ist es der richtige Weg unter Kollegen.“ Die angeschobene System-Debatte oder die Kritik an fehlender taktischer Flexibilität teilt sie hingegen nicht. „Wenn man über unser System spricht, finde ich, dass wir ein sehr variables, flexibles System haben“, sagte Neid.

„Silvia Neid hat das Gesicht unserer Frauen-Nationalmannschaft entscheidend geprägt und großartige Erfolge gefeiert. Daher genießt sie auch weiterhin unser totales Vertrauen“, sagte Sandrock in einem am Freitag auf der Verbands-Homepage veröffentlichten Interview.

Die 51-Jährige, die ihren Posten nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio an Steffi Jones abgibt, ist nach dem verpassten Titel durch das 0:2 im Halbfinale gegen die USA ins Kreuzfeuer geraten.

„Wir haben jetzt zweimal hintereinander das Ziel nicht erreicht. Es muss ein Umbruch eingeleitet werden, gerade mit Blick auf Olympia im nächsten Jahr“, forderte Turbine Potsdams Trainer-Urgestein Bernd Schröder. Wie seine Kollegen Colin Bell vom Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt und mit Abstrichen auch Ralf Kellermann vom DFB-Pokalsieger VfL Wolfsburg monierte Schröder fehlende Flexibilität im Taktikbereich. „Wir sind zu ausrechenbar“, kritisierte Schröder, „nach dem Rückstand gegen die USA hatten wir keinen Plan B“.

Der DFB stärkte der Bundestrainerin demonstrativ den Rücken. „Ich bin schon sehr verwundert darüber, wie sich jetzt der eine oder andere Trainer aus der Bundesliga in der Öffentlichkeit gegenüber der Bundestrainerin und der Mannschaft geäußert hat“, wies Generalsekretär Sandrock die Kritik zurück.

Zuvor hatte bereits Spielführerin Nadine Angerer, die gegen England ihr 146. und letztes Länderspiel bestreiten wird, gepoltert: „Das macht mich richtig sauer. Weil es immer leicht ist, Sachen von außen zu beurteilen. Wenn man keine Ahnung hat, muss man erstmal die Hintergründe kennen. Ich bin enttäuscht, dass nach einer Niederlage alles infrage gestellt wird.“

Die heftige Abwehrreaktion brachte wiederum Schröder in Rage. Der 72-Jährige ärgerte sich besonders über die fehlende Selbstkritik der Beteiligten. „Die U-21 der Männer hat nach ihrem EM-Ausscheiden klar Position bezogen. Warum kriegen das die Frauen nicht hin?“, sagte der Turbine-Coach. Er erwartet folgendes Szenario: „Sollten wir gegen England Rang drei holen, wird die Selbstbeweihräucherung weiter gehen. Dann wird gesagt: Platz drei ist doch gar nicht so schlecht.“

Frankfurts Manager Siegfried Dietrich fordert unabhängig vom Ausgang der England-Partie eine grundsätzliche Analyse. Neid habe früher immer gefordert, „dass in den Vereinen professioneller gearbeitet und trainiert werden muss.“ Nun müsse sich auch die DFB-Auswahl dieser Diskussion stellen. „Die Nationalmannschaft soll weiter Vorreiter im internationalen Frauenfußball sein, deshalb gilt es konstruktiv über die zukünftige Entwicklung zu sprechen“, sagte Dietrich der Deutschen Presse-Agentur und stellte fest: „Keiner hat die Bundestrainerin persönlich angegriffen. Mit einer solchen Kritik muss man umgehen.“