Bayer Leverkusen im Glück Grimaldo ist Leverkusens spanischer Freigeist
LEVERKUSEN · Alejandro Grimaldo ist eigentlich Linksverteidiger. Im System von Bayer Leverkusen aber kann er andere Stärken viel besser zum Tragen bringen. Nur dem Nationaltrainer Spaniens ist das noch nicht aufgefallen. Ein Porträt.
Das Zitat des Tages lieferte Lukas Hradecky. „Der Zug ist momentan nicht zu stoppen“, sagte der Torhüter von Bayer 04 Leverkusen am Sonntag nach dem 3:0 (2:0) über den 1. FC Köln. Die „Werkself“ baute ihren Saison-Start auf neun Siege in zehn Pflichtspielen aus, in der Bundesliga stellen 19 von 21 möglichen Punkten einen neuen Vereins-Rekord dar und auch wenn der hoffnungslos unterlegene Nachbar aus der Domstadt im 90. Duell vielleicht nicht als echter Gradmesser herhalten kann, so beeindruckt das Team von Trainer Xabi Alonso doch mit seiner Art von Fußball-Darbietung.
„Wir haben in dieser Saison mehr Optionen, Dinge vorzutragen“, meint Simon Rolfes. Was natürlich an hochwertigen Zugängen liegt, auch wenn der Sportdirektor erklärt: „Wir kreieren die Chancen als Mannschaft, es hängt nicht von dem einen genialen Moment eines Individualisten ab.“ Eine durchaus zutreffende Analyse und dennoch gibt es einen Spieler im Kader, der vermehrt für geniale Momente steht. Gegen den 1. FC Köln avancierte Alejandro Grimaldo nicht zum ersten Male zum Mann des Spiels. Der linke Außenbahnspieler leitete das 1:0 von Jonas Hofmann ein und bereitete das 2:0 mit einem überlegten Pass auf Jeremie Frimpong mustergültig vor.
„Eine Führungsrolle ist
mein Anspruch“
Zwei Treffer sowie vier direkte Tor-Vorlagen stehen für Grimaldo nach sieben Bundesliga-Einsätzen bereits zu Buche. „Ich habe in den Mannschaften, in denen ich bisher gespielt habe, immer eine Führungsrolle eingenommen. Das ist mein Anspruch“, sagte der Spanier bei seiner Vorstellung im Sommer und lässt seinen Worten bis dato Taten folgen. Nahtlos knüpft er an seine Bilanz aus sieben Jahren bei Benfica Lissabon an. In 303 Spielen für den portugiesischen Rekordmeister verbuchte er 27 Treffer und 66 Tor-Vorlagen. Für einen dort zumeist als Linksverteidiger einer Viererkette eingesetzten Akteur eine beachtliche Zahl.
In Leverkusen agiert Grimaldo im von Trainer Alonso präferierten 3-6-1-System etwas vorgerückter. Was seine Stärken noch besser zur Geltung bringt. Der 28-Jährige ist mit einer feinen Technik ausgestattet, behält auch unter Druck die Ruhe und spielt genaue wie kluge Pässe. Von daher zieht er auch immer wieder mal ins Zentrum, um dort den Spielaufbau mit zu initiieren. „Alejandro hat etliche Freiheiten und so viele Möglichkeiten, seine Rolle zu interpretieren. Er ist ein Super-Fußballer, technisch stark und überaus intelligent. Wir können Spiele auch deshalb dominieren, weil er Situationen antizipiert, Überzahl schafft und wir dadurch den Ball behalten. Alejandro ist ein ganz, ganz wichtiger Spieler“, sagt Rolfes.
Dass der 41-Jährige den beim FC Barcelona ausgebildeten Grimaldo trotz dieser Qualitäten unters beschauliche Bayer-Kreuz lotsen konnte, hat etwas mit dessen positiver Selbsteinschätzung zu tun. Grimaldo kennt seine vielleicht einzige Schwäche, er ist kein besonders guter Sprinter. Von daher wollte er in seiner Karriere nach sieben Jahren Benfica zwar den nächsten Schritt gehen, einen Wechsel nach England jedoch zog er ob der dort auf ihn wartenden schnellen Dribbler nicht in Erwägung. Hinzu kam, dass Leverkusen für den ablösefreien Wechsel dem Spieler lediglich ein Handgeld von acht Millionen Euro zahlen musste.
Grimaldo besitzt
eine hohe Professionalität
Gut angelegtes Geld, schließlich zeigte sich Grimaldo auch außerhalb des Platzes von Beginn an hochprofessionell. Schon früh war er mit seiner Frau nach Deutschland gereist, um eine Wohnung zu suchen. Im grünen Gürtel von Düsseldorf fand das Paar diese und fortan konnte sich der 1,71m kleine sowie 69 Kilogramm leichte Iberer ohne Nebenformalitäten auf seinen neuen Verein konzentrieren. Dies tut er so profihaft, wie er es für seinen Beruf schon immer getan hat. Regeneration und Ernährung sind für ihn wichtige Faktoren, um Verletzungen vorzubeugen. So konnte Grimaldo in den vergangenen fünf Jahren über 90 Prozent der Partien bestreiten, in Europas sieben führenden Ligen schafften lediglich fünf Feldspieler eine höhere Quote.
Dass Grimaldo trotz aller Qualitäten, trotz seiner präzisen Flanken und auch trotz solch brillanter Freistöße wie beim 2:2 in München bisher kein einziges A-Länderspiel bestritten hat, sorgt da für Erstaunen. „Ich weiß nicht, ob bei Spanien alle so gut sind, aber für mich ist Alejandro ein Mann, der Nationalspieler sein muss und dies auch bei einer Top-Nation“, sagt Rolfes. Auch diesmal fehlt der gebürtige Valencianer im Kader von Nationaltrainer Luis de la Fuente, der als Linksverteidiger Fran Garcia sowie Alejandro Baldé nominiert hat. Die sind mit 24 und 19 Jahren zwar deutlich unerfahrener, spielen jedoch bei Real Madrid und dem FC Barcelona. „Eine Berufung wäre für Grimaldo verdient. Aber es kann schon was anderes sein, ob man in La Liga oder im Ausland unter Vertrag steht“, ließ Xabi Alonso auf Frage unserer Zeitung durchblicken. „Es wäre total verdient. Aber wenn er so weitermacht, wird das irgendwann kommen. Wir sehen jeden Tag seine Qualität. Dazu ist er ein sehr guter Profi und ein gutes Vorbild für unsere jungen Spieler.“
Grimaldo selber möchte dieser Diskussion durch gute Leistungen weiter Nahrung geben. „Ich will der Mannschaft von Bayer helfen, einen Qualitätssprung zu schaffen und selbstverständlich will ich Titel gewinnen“, erklärte er bei seiner Vorstellung im Juli. Damals wurde besonders der zweite Teil in der Liga noch schmunzelnd zur Kenntnis genommen. Inzwischen aber wird sie von der Konkurrenz auch wegen Alejandro Grimaldos Aufritten sehr, sehr ernst genommen.