Hass-Halbfinale und Brasilien zaubert mit Pelé

Berlin (dpa) - „Heja, Heja!“ Diese Rufchöre des aufgepeitschten Göteborger Publikums klingelten allen Beteiligten noch Jahrzehnte später in den Ohren.

Die hitzige, teils fanatische Atmosphäre beim 1:3 im Halbfinale gegen Gastgeber Schweden sorgte auch wegen des Platzverweises gegen Erich Juskowiak nach dessen Revanchefoul für ein unrühmliches Kapitel in der deutschen WM-Historie. International blieb das Turnier 1958 eher wegen des ersten von fünf Titeln von Rekord-Weltmeister Brasilien mit dem damals erst 17-jährigen Pelé in Erinnerung. Unübertroffen blieben die 13 Treffer von Frankreichs Torschützenkönig Just Fontaine.

Vier Jahre nach dem deutschen WM-Triumph waren aus der Elf, die Ungarn in Bern 3:2 bezwungen hatte, nur Fritz Walter, Helmut Rahn, Hans Schäfer und Horst Eckel übrig geblieben. Um sie herum formte Bundestrainer Sepp Herberger eine Mannschaft, die nach einer Serie herber Niederlagen zumindest wieder gehobenes Mittelmaß darstellte. Die Hoffnungen ruhten auf der Schusskraft von „Boss“ Rahn und einem jungen Stürmer namens Uwe Seeler.

Und das Turnier ließ sich zunächst gut an. Rahn (zwei) und Seeler schossen im ersten Gruppenspiel das 3:1 gegen Mitfavorit Argentinien heraus. Nach 2:2-Unentschieden gegen die Tschechoslowakei und Nordirland hieß wie vier Jahre zuvor der Viertelfinal-Gegner Jugoslawien. Und wieder war es Rahn, der beim 1:0 das entscheidende Tor erzielte.

Es folgte der Tiefpunkt in der deutschen Länderspiel-Historie mit dem Hass-Spiel von Göteborg. Schon Stunden vorher wurden die Zuschauer von ihren „Einpeitschern“ auf das Halbfinale eingestimmt. „Heja, Heja, Sverige!“ hallte es durchs Ullevi-Stadion, was auch den ungarischen Schiedsrichter Istvan Zsolt nicht unbeeindruckt ließ.

Am meisten provozierte der unverhohlene Hass, der sowohl den Spielern als auch den Zuschauern des „Kriegsverursachers“ Deutschland galt, Verteidiger Erich Juskowiak. Der Düsseldorfer ließ sich zu einem Revanchefoul an Kurt Hamrin hinreißen und wurde dafür nach 59 Minuten vom Platz gestellt.

„Es war nicht seine Aufgabe, seinen Gegner für ein Foul zu bestrafen“, urteilte Herberger, der das Aus im Hexenkessel von Göteborg beeindruckend gelassen mit den Worten kommentierte: „Nach dem Spielverlauf ist das 3:1 für Schweden durchaus verdient.“

Dass Fritz Walter nach seinem 61. Länderspiel, in dem er von Sigvard Parling gnadenlos traktiert worden war, seine internationale Laufbahn beenden würde, erfuhr der Bundestrainer erst später. Herbergers Mannschaft war durch Hans Schäfer (24.) in Führung gegangen. Lennart Skoglund (32.), Gunnar Gren (81.) und Hamrin (88.) trafen für Schweden gegen zum Schluss nur noch neun Deutsche.

Die denkwürdige Partie hatte Auswirkungen auf das Verhältnis beider Länder: Nach dem Spiel um Platz drei, das 3:6 gegen Frankreich verloren ging, schlug die deutsche Delegation die Einladung zum Finalbankett aus. Der damalige DFB-Präsident Peco Bauwens fiel erneut durch nationalistische Töne negativ auf: „Nie mehr werden wir dieses Land betreten, nie mehr werden wir gegen Schweden spielen.“

Juskowiaks Feldverweis hatte weitere Folgen. An schwedischen Autos wurden in deutschen Städten noch Tage nach dem Spiel die Reifen zerstochen, Urlauber buchten ihre Schwedenreisen um und die diplomatischen Beziehungen kühlten sich für einige Zeit erheblich ab. Erst 24 Jahre später zogen die beiden direkt Beteiligten einen Schlussstrich unter die Affäre. Im Juni 1982 war Juskowiak nach Göteborg gereist, um sich mit Hamrin auszusöhnen.

Für viele Fußball-Interessierte war Juskowiak nach der WM der „Sündenbock“ für die Niederlage. Am 1. Juli 1983 starb er an den Folgen eines Herzinfarktes am Steuer seines Autos im Alter von nur 56 Jahren.

Weltmeister Brasilien hatte auch im Finale gegen Schweden beim 5:2 keine große Mühe. Pelés einzigartige internationale Karriere nahm in Schweden ihren Anfang.