Maradonas „Hand Gottes“ und Zoff im DFB-Team
Berlin (dpa) - Diese Weltmeisterschaft hat Diego Armando Maradona zur Legende gemacht.
Vier Minuten, in denen die 114 580 Zuschauer im Estadio Azteca von Mexiko City im Viertelfinale gegen England Zeugen des Jahrhunderttores und eines Treffers wurden, der die Schlitzohrigkeit und den Hang zur Grenzüberschreitung des „Pibe de Oro“ dokumentierten.
Vier Minuten, in denen Maradona eine Nation noch vor dem Gewinn des WM-Titels mit Stolz und Genugtuung erfüllte. Vier Minuten auf dem Weg ins Finale gegen die deutsche Mannschaft, die fernab der Heimat auch neben dem Spielfeld für Schlagzeilen sorgte.
Irgendwann reichte es sogar Teamchef Franz Beckenbauer, der mit 40 Jahren vor seiner ersten großen Prüfung an der Seitenlinie stand. Dass er sich für Toni Schumacher als Nummer 1 entschied, verkraftete dessen Rivale Uli Stein nicht. Der aufmüpfige Keeper hatte Beckenbauer als „Suppenkasper“ tituliert und sich mit drei weiteren Nationalspielern nicht an die festgelegten abendlichen Ruhezeiten gehalten. Für Stein war's das - am Tag des Viertelfinalsieges gegen Gasteber Mexiko im Elfmeterschießen ging es nach Hause.
Die Beckenbauer-Elf hatte es dank eines 1:0-Erfolgs gegen Marokko durch ein Freistoßtor von Lothar Matthäus zwei Minuten vor dem Ende in die Runde der besten Acht geschafft. Die Gruppenphase hatte die DFB-Auswahl mit einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage auf Rang zwei in einer schweren Gruppe hinter Dänemark abgeschlossen.
Die argentinische Bilanz fiel da schon besser aus. Zwei Siege, ein Remis in der Vorrunde und ein 1:0 in einem der südamerikanischen Klassiker gegen Uruguay. Im Viertelfinale kam es dann zum politisch hochbrisanten Duell gegen England. Nur vier Jahre nach dem gegen Großbritannien verlorenen Krieg um die Falkland-Inseln.
0:0 stand es zur Halbzeit. Sechs Minuten nach dem Wiederanpfiff stieg Maradona hoch und bugsierte den Ball mit der linken Faust ins Tor, Englands Torwart-Ikone Peter Shilton war konsterniert. Der Treffer sei „von vielen Argentiniern als spitzbübische Rache gegen den alten Feind empfunden“ worden, schrieb einmal die FIFA.
„Es war die Hand Gottes und der Kopf Maradonas“, erklärte der Superstar direkt nach der Partie an diesem denkwürdigen 22. Juni. Nur vier Minuten später legte er das 2:0 nach. Sein unwiderstehliches Solo über das halbe Spielfeld war ein Tor für die Ewigkeit. Der Treffer wurde von der FIFA zum Jahrhunderttor gewählt. „Das Tor mit der Hand hat mir viel mehr Freude bereitet als das zweite, das zum schönsten Treffer der WM-Geschichte gewählt wurde“, erklärte Maradona selbst später in einem Buch.
Während Rekordweltmeister Brasilien im Viertelfinale ausschied, Titelverteidiger Italien sogar schon eine Runde vorher, setzten sich im Halbfinale Deutschland gegen Frankreich und Argentinien gegen Belgien jeweils mit 2:0 durch. Eine Woche nach Maradonas großem Auftritt kam es zum Finale im Aztekenstadion gegen die DFB-Auswahl. High noon, Anstoß um 12.00 Uhr mittags - und es wurde spannend.
Vor allem, weil sich der sonst so strafraumsichere Schumacher bei einer Flanke gnadenlos verschätzte und so das 0:1 durch Jose Brown ermöglichte. „Es war doch mein Finale, ich wollte endlich mal an den Ball“, räumte er später ein. Nach dem 0:2 durch Jorge Valdano schien die Partie gelaufen, mit einem Abstaubertor brachte Karl-Heinz Rummenigge die Beckenbauer-Schützlinge 16 Minuten vor dem Abpfiff aber wieder heran. Sieben Minuten später glich Rudi Völler mit einem Kopfball aus.
Dann aber zeigte Maradona, damals 25 Jahre alt, wieder seine Genialität. Ein Pass auf Jorge Burruchaga. Und der überwand den zu spät aus seinem Tor kommenden Schumacher zum 3:2-Siegtreffer, rund 180 Sekunden nach dem Ausgleich. „Zu lange gejubelt haben wir, in der Euphorie des Ausgleichs keinen kühlen Kopf bewahrt. Wir fühlten uns dem 3:2 näher als die Argentinier, das war der verhängnisvolle Fehler“, meinte damals Rummenigge, nachdem er mitangesehen hatte, wie Maradona den WM-Pokal in seiner „Hand Gottes“ hielt. Vier Jahre später sollte es anders ausgehen.