Aus für Brasiliens Sportminister

Brasília (dpa) - Brasiliens Regierung hat wegen Korruptionsvorwürfen in fünf Monaten fünf Minister verloren. Mit Sportminister Orlando Silva erwischte es jetzt Brasiliens Frontmann für die WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016.

Noch am Sonntag wog sich Orlando Silva in Sicherheit. Präsidentin Dilma Rousseff hatte den Sportminister bestärkt und ihm nach einer turbulenten Woche und anhaltenden Korruptionsvorwürfen Geduld und Gelassenheit angeraten. „Nach einer Woche mit trübem Wetter, scheint die Sonne in Brasília wieder“, twitterte der seit 2006 amtierende Silva. Am Mittwoch dann folgten das Gewitter und der Rücktritt. Der Druck war zu groß geworden.

Für Brasilien bedeutet Silvas Ausscheiden einen Imageschaden. Zum einen laufen gerade schwierige Gespräche mit dem Fußball-Weltverband (FIFA) über das im Kongress zur Abstimmung stehende WM-Rahmengesetz - FIFA-Präsident Joseph Blatter hat sich für November zum Besuch angesagt. Zum anderen erleidet die Regierung Rousseff inzwischen einen sichtbaren Personalschwund. Statistisch gesehen nahm seit Juni pro Monat ein Minister wegen Korruptionsaffären den Hut, fünf an der Zahl.

Den Anfang machte Kabinettschef Antonio Palocci. Es folgten Agrarminister Wagner Rossi, Verkehrsminister Alfredo Nascimento und kürzlich Tourismusminister Pedro Novais. Alle wehrten sich mit Händen und Füßen und die meisten sprachen bis zum Schluss von „Verleumdung und Lügen“. Auch Silva kämpfte fast zwei Wochen lang gegen Anschuldigungen des Polizisten João Dias Ferreira, der selbst einen eher bescheidenen Leumund hat und 2010 fest genommen wurde - im Zuge von Korruptionsermittlungen.

Nach Angaben Ferreiras gab es in Silvas Ministerium ein Schmiergeldsystem, bei dem rund 20 Prozent der Mittel für ein soziales Kinder-Sportprogramm veruntreut worden sein sollen. Insgesamt 40 Millionen Reais (16 Mio. Euro) in acht Jahren - also auch vor Silvas Amtszeit. Der Minister selbst habe Geld in einer Garage entgegen genommen, behauptete Ferreira in der Zeitschrift „Veja“. Zudem seien Mittel in die Wahlkampfkasse der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB) geflossen, der Silva angehört.

Der Minister ließ seit zwei Wochen kein Mikro aus, um sich zu wehren. Das Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. „Wo sind die Beweise? Es hat nie welche gegeben und es wird auch nie welche geben... Ich werde meine Ehre verteidigen“, sagte er vor Ausschüssen des Parlamentes und des Senates. Er forcierte selbst Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft und wollte dazu auch seine Bank- und Telefondaten zur Verfügung stellen. „Die Wahrheit wird siegen“, twitterte er trotzig Minuten nach seiner Rücktrittserklärung.

Zum Schluss hatte Silva wohl doch den Rückhalt von ganz oben verloren. Ausschlaggebend dürfte in dieser Woche die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (STF) gewesen sein, Ermittlungen in dem Fall einzuleiten. Der 40-jährige Silva schien Rousseff wohl zu beschädigt und damit zu angreifbar, um die Mammutaufgaben zur Vorbereitung der WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016 zu stemmen. Die Vorwürfe hätten immer im Raum gestanden.

Das Sportressort wird vorübergehend vom Staatssekretär Waldemar Manoel Silva de Souza geführt. Über die endgültige Nachfolge gibt es noch nicht mal Spekulationen, bis auf eine, die Vize-Präsident Michel Temer vor Tagen ins Spiel brachte: „Wenn es einen Ersatz (für Silva) geben sollte, dann ist klar, dass Pelé nicht nur ein Symbol, sondern auch ein großer Name ist.“ Der 71-jährige Jahrhundertfußballer war von 1995 bis 1998 schon mal Sportminister und ist derzeit WM-Ehrenbotschafter.