Boomland Brasilien: Die Bundesliga wendet sich ab

Belek (dpa) - Es gibt genau zwei Reizthemen, bei denen Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs im Trainingslager in der Türkei für einen Moment seine gute Laune verliert: Das sind das schlechte Wetter der vergangenen Tage und der Name Fernandao.

Der Manager von Internacional Porto Alegre hatte zuletzt massiv versucht, den Bremer Verteidiger Naldo zurück nach Brasilien zu holen. Und auch wenn er damit vorerst gescheitert ist, beweist der Fall Naldo, dass sich die Bedeutung Brasiliens als Eldorado für die Bundesliga und den europäischen Fußball gerade radikal verändert. „Der brasilianische Markt ist für die Bundesliga nicht mehr interessant“, sagt der Sportdirektor des VfB Stuttgart, Fredi Bobic. Allofs kann das nur bestätigen: „Das ist eine neue Situation, ganz klar. Für Spieler ist jetzt auch da eine Menge Geld vorhanden.“

Der Boom der Wirtschaft und die Aussicht auf die WM 2014 in Brasilien haben zwei Entwicklungen gleichzeitig ausgelöst. Spieler aus dem Land des Rekordweltmeisters sind für europäische Vereine nur noch schwer zu bezahlen oder überhaupt zu locken. Und brasilianische Spieler in Europa zieht es verstärkt in ihre Heimat zurück. Das Wunderkind Neymar sagte selbst Real Madrid ab, um bei seinem Verein FC Santos zu bleiben. Umgekehrt wechselte Altstar Ronaldinho mit 30 Jahren vom AC Mailand zu Flamengo Rio de Janeiro zurück.

Auch in der Bundesliga gibt es zahlreiche Zeichen für diesen Trend. Der FC Bayern München hatte zuletzt erklärt, sein Scouting in Brasilien einzustellen. Selbst Bayer Leverkusen, das jahrelang die besten Verbindungen dorthin unterhielt und regelmäßig Stars wie Emerson oder Ze Roberto nach Deutschland holte, verpflichtete zuletzt 2008 einen Profi vom Zuckerhut (Renato Augusto). Spielten seinerzeit noch 36 Brasilianer in der Bundesliga, sind es aktuell nur noch 20.

„Der brasilianische Markt war noch nie ein preiswerter Markt. Und er ist jetzt nicht unbedingt preiswerter geworden“, erklärt Allofs. Das ergebe sich allein „aus der Gesamtsituation: Brasilien ist ein florierendes, boomendes Land. Da gibt es viele Leute, die viel Geld besitzen. Außerdem haben sie in absehbarer Zeit die Weltmeisterschaft im eigenen Land.“ Werders Naldo begründete seinen Wechselwunsch in der vergangenen Woche mit genau diesen Argumenten: „Man kann dort so viel Geld verdienen wie in Europa“, sagte der 29-Jährige. „Und ich denke, dass ich bei Internacional mehr Chancen auf die WM habe.“

Eine Besonderheit des brasilianischen Marktes kommt zu all diesen Punkten noch hinzu: die häufig nur sehr schwer zu beantwortende Frage, welcher Profi wem genau gehört. „Die Rechte liegen oft bei Anteilseignern“, sagt Bobic. „10 Prozent der Anteile gehören dem Verein, 90 Prozent vier, fünf anderen Personen oder Unternehmen. Das macht Transfers in Brasilien so anstrengend und schwierig.“

Die Folgen davon sind in dieser Winterpause gut zu beobachten. Bobic und sein VfB schlagen mittlerweile gern in Japan zu. Und selbst der finanzstarke VfL Wolfsburg konzentriert sich bei seiner aktuellen Shoppingtour auf Osteuropa und Portugal. Komplett verloren haben die meisten Vereine ihr Interesse an Brasilien aber noch nicht. „Wer weiß, wie lange dieser Trend anhält“, meint Bobic. „Wir haben schon viele Booms erlebt. Und dann hat es irgendwann Bumm gemacht.“