Brot und Spiele - Matthäus kickt für Kadyrow
Moskau (dpa) - Politisch heikles Fußballspiel im früheren Kriegsgebiet Tschetschenien: Mit einer Partie gegen ein Allstar-Team aus Brasilien hat der umstrittene Republikchef Ramsan Kadyrow Normalität im russischen Nordkaukasus vorgetäuscht.
Auch der deutsche Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus kickte gemeinsam mit Kadyrow im Stadion von Grosny - wo dessen Vater 2004 bei einem Bombenanschlag getötet worden war. Menschenrechtler werfen dem kremltreuen Ramsan Kadyrow Folter und Morde vor. Matthäus hielt das von seiner Reise in das Konfliktgebiet nicht ab: Fußball habe nichts mit Politik zu tun, sagte er der ARD.
Vor dem gut einstündigen Spiel gegen die Ballzauberer vom Zuckerhut heizte Kadyrow die Zuschauer in der islamisch geprägten Teilrepublik mit „Allah ist groß“-Rufen auf. Die Begegnung sei ein Geschenk an die Fußballfans in Tschetschenien, sagte der 34-Jährige, der selbst mitspielte und bei der 4:6-Niederlage seines Teams zwei Tore erzielte.
Hingegen sahen Beobachter in dem Spaßkick eine skrupellose politische PR für den früheren Tschetschenien-Krieger Kadyrow, der mit solchen Aktionen auch die Schrecken der 1990er Jahre vergessen machen will. Damals wüteten zwei blutige Bürgerkriege in Tschetschenien, Grosny wurde weitestgehend zerstört. Erst vor wenigen Tagen wurde Kadyrow von Kremlchef Dmitri Medwedew für eine weitere fünfjährige Amtszeit vorgeschlagen. Doch der Terror ist geblieben: Erst im vergangenen Jahr stürmten Islamisten das Parlament in Grosny, mehrere Menschen kamen ums Leben.
Vor dem Spiel waren die Sicherheitsvorkehrungen enorm. Ohnehin prägen bewaffnete Polizisten das Stadtbild. Hinzu kamen nun zahlreiche Mitglieder von Kadyrows eigener Sondereinheit, die nach Angaben von Menschenrechtlern in Entführungen und Erpressungen verwickelt ist. Spürhunde suchten das Stadion nach Sprengstoff ab, an den Eingängen standen Metalldetektoren.
Die Fußballgala am Internationalen Frauentag, in Russland ein arbeitsfreier Feiertag, sollte für Kadyrows - wohl unerfüllt bleibenden - Wunsch werben, ein Spiel der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Grosny auszutragen. Die von extremer Armut und Arbeitslosigkeit dominierte Region bestreitet fast den gesamten Haushalt mit Geld aus Moskau.
Das blutrote Trikot mit der Rückennummer 10 spannte dem kleinen und stämmigen Aushilfsstürmer Kadyrow, der als einer der wenigen eine lange Sporthose trug, sichtlich über dem Bauch. Die Partie bewegte sich auf sehr schwachem Niveau. Matthäus, der nur eine Halbzeit spielte, beteiligte sich kaum am Geschehen. Lediglich der niederländische Ex-Nationalspieler Ruud Gullit, neuer Trainer des ambitionierten Clubs Terek Grosny, spielte einige schöne Pässe - natürlich auf Kadyrow, der als Terek-Präsident den Verein ähnlich autoritär lenkt wie Tschetschenien.
Die in die Jahre gekommenen Brasilianer um Stars wie Romario und Dunga sowie den früheren Bundesliga-Profi Giovane Elber beließen es meist bei einigen Kabinettstückchen, während für die Kadyrow-Truppe das Abseits offenbar aufgehoben war. Der Republikchef verschoss zudem zwei fragwürdige Elfmeter.