Confed Cup Chile: Top-Team mit nur wenigen Top-Spielern
Moskau (dpa) - Für den FSV Mainz 05 war der Verteidiger Gonzalo Jara einfach nicht gut genug. Nach nur anderthalb Jahren löste der Fußball-Bundesligist den Vertrag mit dem 102-fachen Nationalspieler Chiles wieder auf.
Die Zeit von Eduardo Vargas bei 1899 Hoffenheim verlief auch nicht viel besser. Im Januar dieses Jahres war der Verein froh, den Stürmer nach Mexiko verkaufen zu können.
Zu schlecht für die Bundesliga, aber nahezu unersetzlich für eines der innovativsten und am meisten gefürchteten Nationalteams der Welt? Wie passt das zusammen? Beim Confederations Cup in Russland trifft der Südamerika-Meister Chile am Sonntag (20.00 Uhr) auf Kamerun - mit Jara und Vargas in der Stammelf und von einer gewaltigen Reputation umweht. Bundestrainer Joachim Löw erklärte die Chilenen nicht nur zum schwersten Gruppengegner des deutschen Teams, sondern gleich auch zum Topfavoriten des gesamten Turniers.
„Chile agiert taktisch auf allerhöchstem Niveau“, sagte Löw in einem dpa-Interview. „So variabel spielen nur wenige Nationalmannschaften. Da zählt Chile zu den zwei, drei besten Nationen der Welt.“
So oder so ähnlich redet der Bundestrainer schon seit Jahren. Schon bevor Chile 2015 und 2016 gleich zweimal hintereinander die Copa America gewann. Und schon bevor „La Roja“ (Die Roten) bei der WM 2014 erst den Weltmeister Spanien besiegte (2:0) und dann nur im Elfmeterschießen gegen Gastgeber Brasilien verlor (2:3).
Beim Blick auf die Kaderliste für den Confed Cup fragt man sich bloß: Was genau macht diese Mannschaft so stark? Auf dieser Liste stehen nur zwei, maximal drei internationale Klassespieler wie Arturo Vidal (FC Bayern München), Alexis Sanchez (FC Arsenal) und Gary Medel (Inter Mailand). In der russischen Hauptstadt Moskau hätte man sich wahrscheinlich eher gefreut, am Sonntag Argentinien mit Lionel Messi oder Brasilien mit Neymar im Spartak-Stadion spielen zu sehen.
Denn das Gros der chilenischen Auswahl bilden Spieler wie Jara oder der Hamburger Relegations-Held Marcelo Diaz, die sich in großen europäischen Ligen nie richtig durchsetzen konnten. Oder Routiniers wie der Verteidiger Jean Beausejour, die schon über 30 Jahre alt sind und die längste Zeit ihrer Karriere in der Heimat verbracht haben.
Ein Erfolgsgeheimnis ist, dass sich die Kaderliste von Turnier zu Turnier kaum verändert. „Diese Mannschaft ist sehr eingespielt“, lobte Löw. Und auch Gonzalo Jara erzählte bei einer Pressekonferenz in Moskau: „Unsere große Stärke ist das Kollektiv.“
Ein noch wichtigerer Faktor ist aber: Chile ist in den vergangenen zehn Jahren fast ausschließlich von herausragenden Trainern trainiert und damit entscheidend geprägt worden. Marcelo Bielsa, einer der Lehrmeister von Pep Guardiola und ehemaliger Nationalcoach Argentiniens. Jorge Sampaoli, noch vor kurzem der Wunschtrainer des FC Barcelona und jetzt neuer Nationalcoach Argentiniens. Und seit Januar 2016 Juan Antonio Pizzi, früher Torjäger beim spanischen Club CD Teneriffa unter Jupp Heynckes und Ewald Lienen.
„Chile hat auch früher schon tolle Spieler wie Ivan Zamorano oder Marcelo Salas gehabt. Der Unterschied ist nur, dass wir in den vergangenen Jahren immer Top-Trainer hatten, die uns enorm verbessert und taktisch sehr viel weitergebracht haben“, erklärte Jara. „Sie haben uns beigebracht, das Spiel mit einem anderen Blick zu sehen.“
Und so fiel Chile in den vergangenen Jahren stets mehr durch taktische Innovationen als durch herausragende Einzelkönner auf: Das Spiel mit einer Dreier-Abwehrkette, als das in Europa noch längst nicht wieder in Mode war. Oder einen riskanten Offensivstil, während überall sonst die totale Spielkontrolle gepredigt wird. Schon in einem früheren Interview der WAZ sagte Löw deshalb: „Für ein so kleines Land mit 18 Millionen Einwohnern ist das beeindruckend.“