Cruyffs Credo: „Ohne Ball kannst Du nicht gewinnen“
Barcelona (dpa) - Sein wichtigstes Spiel verlor Johan Cruyff am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion, den größten Kampf seines Lebens am Donnerstag in Barcelona.
Der einstige Fußball-Weltstar, der im Alter von 68 Jahren nach einer Krebserkrankung starb, wird in Deutschland vor allem wegen der 1:2-Niederlage gegen die DFB-Auswahl um Franz Beckenbauer im Weltmeisterschafts-Endspiel vor 42 Jahren in Erinnerung bleiben. „Ich bin geschockt. Er war nicht nur ein sehr guter Freund, sondern auch ein Bruder für mich“, sagte Beckenbauer über seinen einstigen Rivalen, der im WM-Endspiel nach wenigen Sekunden den Foulelfmeter zur niederländischen Führung herausholte - und am Ende trotzdem verlor.
In einem Werbespot gegen das Rauchen jonglierte Cruyff 1991 sogar eine Zigarettenschachtel, als wäre sie ein Ball. Am 26. Februar des gleichen Jahres klagte der damalige Trainer des FC Barcelona auf der Rückfahrt vom Liga-Spiel in Valladolid über Magenschmerzen, schwere Arme und Schweißausbrüche. Dank einer schnellen Untersuchung im Krankenhaus wurde ein schwerer Herzinfarkt bei dem Kettenraucher in letzter Minute vermieden, es folgte eine Bypass-Operation. 1997 hörte er nach weiteren Herzbeschwerden als Trainer auf und schwor, nicht mehr zurückzukehren.
Cruyffs Tod sei die Folge einer Lungenkrebs-Erkrankung, hieß es am Donnerstag von seiner Stiftung. Dabei hatte er sich noch Mitte Februar zuversichtlich gezeigt. „Ich habe das Gefühl, mit 2:0 in der ersten Halbzeit eines Spiels vorne zu liegen, das noch nicht zu Ende ist. Aber ich bin mir sicher, dass ich es gewinnen werde.“
Der Mann im orange-farbenen Trikot mit der Nummer 14 setzte auf dem Rasen die als „Voetbal totaal“ in die Sport-Geschichte eingegangene Offensiv-Philosophie von Trainer und Mentor Rinus Michels um. Er war eine ebenso unumstrittene Führungsfigur wie Beckenbauer auf deutscher Seite. Bevor der Kaiser den FC Bayern von 1974 bis 1976 dreimal zum Triumph im Europapokal der Landesmeister führte, hatte Cruyff dieses Kunststück von 1971 bis 1973 mit Ajax Amsterdam vorgemacht. „Er hat unseren Fußball auf die Weltkarte gebracht“, betonte Ruud Gullit. Der Europameister von 1988 hob den großen Einfluss auf seine eigene Karriere hervor.
Aus seiner Heimstadt wechselte der am 25. April 1947 geborene Cruyff dann zum großen FC Barcelona. Die katalanische Metropole wurde zur zweiten Heimat von „König Johan“. Vom „niederländischen Zauberer“ schwärmte sein einstiger Club, den er 1992 als Trainer zum erstmaligen Gewinn des Landesmeister-Cups führte, in seinem Nachruf. Zum damaligen Team gehörte auch Bayern-Coach Pep Guardiola. „Ohne den Ball kannst Du nicht gewinnen“, lautete die Philosophie von Cruyff.
„Was er in dieser Zeit erschaffen hat, war einmalig. Das haben seine Nachfolger, insbesondere Pep Guardiola, zur Perfektion veredelt“, urteilte Günter Netzer in der „Welt“. Er habe Cruyff über alle Maßen bewundert, „er war der größte Stratege unserer Zeit“. Der gesperrte UEFA-Präsident Michel Platini, 1984 Europameister und Star der französischen Mannschaft, meinte: „Ich bin sehr traurig“, weil Johan das Idol meiner Kindheit war, mein Idol und mein Freund.“
Der als Ideengeber und Torschütze gleichermaßen starke Cruyff sagte ein Leben lang auch stets unverblümt seine Meinung. Das brachte ihm im Münchner WM-Finale nach der ersten Halbzeit auf dem Weg in die Kabine die Gelbe Karte durch den englischen Schiedsrichter John Taylor ein. Später kritisierte Cruyff mit scharfer Zunge im Fernsehen und als Kolumnist der Zeitung „De Telegraaf“ gern seine Nachfolger - er konnte es sich aufgrund seiner großartigen Fähigkeiten erlauben.
1977 bestritt Cruyff das letzte seiner 48 Länderspiele, in denen er 33 Tore erzielte. Eine Rückkehr lehnte er gewohnt gradlinig ab. Für die WM 1978, ausgetragen im vom Militär beherrschten Argentinien, gab er dem damaligen Trainer Ernst Happel einen Korb. „Bevor ich einen Fehler mache, mache ich ihn nicht“, war einer der markanten Sprüche, für die Cruyff ebenfalls in Erinnerung bleiben wird.