Die verkaufte WM-Qualifikation des Libanon
Beirut (dpa) - Das verkaufte Fußball-Märchen von Libanon stimmt Theo Bücker selbst nach Ende der WM-Qualifikation noch „sehr, sehr traurig“.
Nach sensationellen Siegen über Südkorea oder die Vereinigten Arabischen Emirate durfte das kriegsgeplagte Land erstmals auf den Sprung zum Weltturnier hoffen - bis sich Spieler des deutschen Fußball-Trainers vergangenes Jahr entschieden, für Geld absichtlich zu verlieren. „Wenn alle Beteiligten korrekt mit mir am selben Strang in die gleiche Richtung gezogen hätten, hätten wir die Chance gehabt, 2014 nach Brasilien zu fahren“, klagt der 64 Jahre alte Sauerländer ernüchtert.
Nachdem der frühere Profi von Borussia Dortmund und Schalke 04 vor knapp zwei Jahren zum zweiten Mal das libanesische Team übernommen hatte, erlebte der Mittelmeerstaat aus seiner Sicht nicht nur einen sportlichen Frühling. „Durch unsere Erfolge hat es hier eine politische Wandlung gegeben. Moslems, Schiiten, Kopten und Drusen waren auf einer Linie, wenn es um die Nationalmannschaft ging“, sagt Bücker der Nachrichtenagentur dpa.
Bis zu den verhängnisvollen Duellen mit Katar. In Beirut unterlag der Libanon trotz drückender Überlegenheit mit 0:1 - noch im Stadion konfrontiert seine Frau Solange Mehanna den Coach mit dem Manipulationsverdacht gegen Abwehrspieler Ramez Dayoub. Beim Studium des Videos erkennt Bücker die erschreckende Wahrheit: „Er hat wirklich den Kopf oben und versucht, drei-, vier- fünfmal den verkehrten Mann anzuspielen in unserem Sechzehner.“
Auch das Rückspiel im Emirat geht auf ähnliche Weise verloren, zudem sind Spiele im Arab Nations Cup und auf Clubebene verschoben, selbst in der Vorqualifikation hatte die Wettmafia beim 0:2 in Bangladesch ihre Finger im Spiel. Nach einer Untersuchung des Nationalverbands werden insgesamt rund 20 Spieler, darunter sechs Bücker-Schützlinge, gesperrt.
„Die Jungs haben kein Geld, die Verführung, dass einer kommt und sagt: Hier sind 50 000 oder 100 000, ist ja riesig. Das kann man nicht verstehen oder dulden, aber sie sind dieser Versuchung hilflos ausgeliefert“, meint Bücker, der sich angesichts dieser persönlichen Schicksale und der Bedeutung des Fußballs für das Land „im Zwiespalt“ befindet. „Allen Kindern ist Hoffnung gestohlen worden, wir haben das ganze Land betrogen. Es ist ein grausiges Verbrechen an der fußballliebenden Gesellschaft.“
Zum Abschluss der Gruppenphase der Asienrunde verlor sein zuvor schon abgeschlagenes Team diese Woche mit 0:4 im Iran, gerade einmal zwei Spieler waren im Vergleich zum Beginn der Qualifikation noch im Kader. Die ehemaligen Bundesligaprofis Youssef Mohamad und Roda Antar haben sich inzwischen erschüttert vom Manipulationsskandal aus dem Nationalteam zurückgezogen, der gerade aufblühende Fußball steht vor dem nächsten Neuaufbau.
Der Wahl-Libanese Bücker („Meine Heimat ist Beirut“) wird dabei voraussichtlich keine weitere Unterstützung leisten können. „Mit 99-prozentiger Sicherheit werde ich mich anders orientieren.“ Für eine strukturierte Nachwuchsarbeit und Trainerausbildung wollte er einen Assistenten und einen Torwartcoach aus Europa installieren. Der Verband lehnte zunächst ab, am kommenden Mittwoch stehen erneut Verhandlungen an. „Ich weiß aber jetzt schon, dass sie nicht willig sind für die beiden Leute zu bezahlen“, berichtete Bücker aus Erfahrung. „Ich wäre bereit, alles zu tun, um dem libanesischen Fußball zu helfen - aber sie müssen sich auch helfen lassen wollen.“
Für ihn selbst soll trotz fast erreichten Rentenalters noch lange nicht Schluss sein. Angebote aus der arabischen Welt gibt es reichlich - „ich höre dann auf, wenn ich mit den Jungens nicht mehr mitlaufen kann.“