Dunga als neuer Nationalcoach Brasiliens präsentiert
Rio de Janeiro (dpa) - Ausgerechnet der 2010 fortgejagte Carlos Dunga soll Rekord-Weltmeister Brasilien nach dem Debakel bei der Heim-WM wieder auf Kurs bringen. Verbandschef José Maria Marin stellte den 50-Jährigen am Dienstag in Rio de Janeiro als Nachfolger von Luiz Felipe Scolari vor.
„Guten Tag! Hier bin ich erneut. Ich bin glücklich, eine neue Chance zu bekommen“, sagte Dunga. „O alemão“ („Der Deutsche“), wie er genannt wird, tritt damit seine zweite Amtszeit als Chefcoach der Seleção an. Der in seiner Heimat nicht sonderlich beliebte Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1994 musste sich bereits vor seiner ersten Pressekonferenz Kritik anhören.
„Wir alle haben volles Vertrauen in seine Fähigkeiten“, sagte hingegen Marin. Dunga erhält einen Vertrag bis zur WM 2018 in Russland und soll dort den so ersehnten sechsten Titel für die große Fußball-Nation holen. „Wir müssen hart arbeiten, um uns das Recht zu erkämpfen, bei den Besten mitspielen zu dürfen“, warnte der neue Chefcoach aber vor dem Qualifikations-Marathon. „Wir dürfen nicht glauben, dass wir die Besten sind, noch dass wir die besten Spieler haben.“
Am 5. September im Testspiel in Miami gegen Kolumbien wird Dunga, der von 1993 bis 1995 beim VfB Stuttgart spielte, erstmals wieder auf der brasilianischen Bank sitzen. Viel Zeit für den Neuaufbau bleibt ihm nicht: Nächstes Jahr findet in Chile die Copá America statt.
2016 bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro will Brasilien endlich einmal Olympiasieger im Fußball werden, für diese Auswahl ist künftig der bisherige U 20-Coach Alexandre Gallo zuständig. Nach der am Ende desaströsen WM mit dem 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland und dem 0:3 im Spiel um Platz drei gegen die Niederlande hatte Scolari seinen Hut nehmen müssen.
„Das ist jetzt unser Projekt. Wir müssen Ergebnisse einfahren, eine Auswahl für 2018 formen“, sagte Dunga sichtlich erfreut: „Zurück zur Seleção zu kommen, ist quasi unmöglich.“ Er war zuletzt Coach beim SC International in Porto Alegre und aufmerksamer Beobachter bei der WM. Dabei zeigte er sich lange vor dem Endspiel-Triumph der deutschen Mannschaft als ihr Fan. „Man muss effizient spielen“, sagte er damals in einem dpa-Interview. „Es ist unnötig, dass es viel Rauch und wenig Feuer gibt, wie wir hier in Brasilien sagen.“ Nun betonte er, dass die Brasilianer Talent und Qualität hätten: „Aber wir bewundern auch die planerischen Fähigkeiten der Deutschen.“
Genau das wiederum warf man Dunga in Brasilien sowohl als Spieler als auch als Trainer immer vor: Dass er zu wenig das „Jogo bonito“, das schöne Spiel, pflege. Noch bevor der brasilianische Fußball-Verband (CBF) die Verpflichtung Dungas offiziell machte, gab es in der Öffentlichkeit große Bedenken. Antonio Lopes, der frühere Technische Direktor der CBF, sagte der Zeitung „Folha São Paulo“: „Ich akzeptiere Dunga nicht.“ Man bräuchte jemand „mit einer neuen Mentalität“ und man müsse die ganze Organisation des brasilianischen Fußballs verändern.
Der Verband, so der angesehene Analyst Paulo Vinícius Coelho, drehe sich im Kreis: „Da fehlen Ideen.“ Denn seit 1992 prägten im Wesentlichen Scolari, Dunga und vor allem Carlos Alberto Parreira die Nationalmannschaft. Parreira triumphierte bei der WM 1994 mit Dungas Team und war beim diesjährigen Endrundenturnier als Technischer Direktor stets an der Seite Scolaris. Der Vertrag des einst so populären „Felipão“ war nach der WM ausgelaufen; Nachfolger Parreiras ist Ex-Nationaltorhüter Gilmar Rinaldi.
Als Chefcoach der Nationalmannschaft war Carlos Caetano Bledorn Verri bereits in seiner ersten Amtszeit hart angegangen worden und lag ständig mit Journalisten im Clinch. Zwar gewann er die Südamerika-Meisterschaft 2007, scheiterte aber bei der WM 2010 in Südafrika im Viertelfinale an den Niederlanden. Als die Brasilianer nach dem Spiel in Port Elizabeth im Teamhotel eintrafen, da schallten Dunga böse Rufe entgegen: „Burro!“ - „Esel“! Kurz darauf trat er zurück.