Enthüllungen verschärfen Glaubwürdigkeitskrise der FIFA
Berlin (dpa) - Diese pikanten Enthüllungen haben FIFA-Boss Joseph Blatter so kurz vor der WM-Herausforderung in Brasilien gerade noch gefehlt.
Neue Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der Endrunde 2022 an Katar und manipulierte Testspiele vor der WM 2010 in Südafrika haben die Glaubwürdigkeitskrise des Fußball-Weltverbandes weiter verschärft. Durch verschleppte Aufklärung und intransparentes Verhalten hat die FIFA ihre Reformbemühungen fast schon ad absurdum geführt. Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger kritisierte als Mitglied der FIFA-Regierung das Ermittlungstempo und forderte ein zeitnahes Ergebnis. Auch FIFA-Vize Jim Boyce schloss eine neue Abstimmung über die WM 2022 nicht aus.
Blatter selbst wollte das Ganze nicht kommentieren und richtete nach seiner Ankunft in Brasilien den Blick lieber auf das Treffen mit Regierungschefin Dilma Roussef. „Wir sind beide verantwortlich für das große Ereignis“, twitterte er.
Der britischen Zeitung „Sunday Times“ liegen nach eigenen Angaben geheime Dokumente vor, die belegen sollen, dass der ehemalige katarische Spitzenfunktionär Mohamed bin Hammam fünf Millionen Dollar an Offizielle gezahlt habe, um sich deren Unterstützung für Katars WM-Bewerbung zu sichern. Bereits ein Jahr vor dem entscheidenden Votum der FIFA-Exekutive über den WM-Gastgeber habe der Katarer begonnen, Einfluss zu nehmen und direkte Zahlungen an Funktionäre geleistet, so die Zeitung. Dem Blatt liegen zudem angeblich Belege dafür vor, dass Bin Hammam dem ehemaligen Exekutiv-Mitglied Reynald Temarii (Tahiti) 305 000 Euro für Anwaltskosten gezahlt haben soll.
Die Organisatoren der WM 2022 in Katar wiesen die erneuten Bestechungsvorwürfe zurück und versicherten, Bin Hammam habe in der Bewerbungskampagne „keine offizielle oder inoffizielle Rolle“ eingenommen. „Wir bestreiten alle Vorwürfe von Fehlverhalten. Wir werden die erforderlichen Schritte ergreifen, um die Integrität von Katars Bewerbung zu verteidigen“, hieß es in dem Statement.
Eine FIFA-Kommission unter Leitung des ehemaligen amerikanischen Staatsanwalts Michael Garcia untersucht die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2022. Der Abschlussbericht soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden. An diesem Montag soll Garcia Mitglieder von Katars WM-Bewerbungskomitee im Oman treffen.
„Die Sache drängt. Spätestens nach der WM in Brasilien erwartet die Öffentlichkeit Aufklärung, damit wir uns endlich von den vielen Spekulationen befreien können“, sagte Zwanziger der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Sollte Garcia ernste Zweifel an einer sauberen Vergabe haben, werde der Kongress „nicht umhin können, die WM neu zu vergeben“, so der ehemalige Boss des Deutschen Fußball-Bundes im „Handelsblatt“. „Ich bin alles andere als sicher, ob die WM in Katar ausgetragen wird, weil zu viel gewichtige Punkte nicht geklärt sind.“
Boyce sah es in einem BBC-Interview ähnlich. Bin Hammam war 2011 von der Ethikkommission des Weltverbandes wegen Verstößen gegen den Ethikcode auf Lebenszeit gesperrt worden.
Für Aufregung sorgte auch ein interner FIFA-Bericht, demzufolge vor der WM 2010 in Südafrika mindestens fünf Länderspiele manipuliert worden seien. Die „New York Times“ veröffentlichte in ihrer Sonntagsausgabe wesentliche Punkte des 44-seitigen Reports. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht dabei der afrikanische Schiedsrichter Ibrahim Chaibou. Der Referee aus Niger hat alle Anschuldigungen bestritten und seine Karriere als FIFA-Schiedsrichter inzwischen beendet.
Zu den verschobenen Begegnungen zählt auch der 5:0-Testspiel-Sieg des damaligen WM-Gastgebers Südafrika über Guatemala. Die Partie wurde von Chaibou geleitet, der zwei höchst umstrittene Handelfmeter gab. Chaibou soll zwischen 60 000 und 75 000 Dollar dafür erhalten haben, behauptet die Zeitung. Auch das Verhalten einiger Funktionäre des südafrikanischen Verbandes führe unweigerlich zu der Folgerung, dass sie als Komplizen bei den Betrügereien aufgetreten seien. Die Untersuchungen der damaligen Vorfälle dauern noch an. Der FIFA-Bericht wurde bisher noch nicht veröffentlicht.
Bereits im April 2013 verständigte sich Südafrikas Regierung mit der FIFA auf eine Untersuchung dieses Skandals. Die FIFA sah es als erwiesen an, dass der verurteilte Wettbetrüger Wilson Raj Perumal aus Singapur Spiele von Südafrika zugunsten der asiatischen Wettmafia durch den Einsatz entsprechender Schiedsrichter beeinflusst hat.
„Nachdem Südafrika entschieden hat, die Sache strafrechtlich nicht zu verfolgen, schauen wir uns die für die FIFA relevanten Personen an, um gegebenenfalls einzugreifen“, sagte FIFA-Sicherheitschef Ralf Mutschke der dpa. Klare Priorität aber hat der Abschlussbericht zu Katar - und eine möglichst störungsfreie WM in Brasilien. Manipulationsversuche beim Spektakel am Zuckerhut befürchtet Mutschke trotzdem. „Ich kann ich es nicht ausschließen, dass Betrüger versuchen, einzelne WM-Spiele zu manipulieren“, sagte Mutschke, „obwohl wir unsere Hausaufgaben gemacht und sehr stark präventativ gearbeitet haben.“