Katerstimmung in Holland - Italien zum „Verlieben“
Berlin (dpa) - Der Fehlstart in die Qualifikation zur Fußball-EM 2016 drückt in den Niederlanden und der Türkei mächtig auf die Stimmung. Der WM-Dritte Holland und Trainer Guus Hiddink mussten nach dem 1:2 in Tschechien neben heftiger Kritik auch jede Menge Häme ertragen.
Die Fans in der Türkei reagierten entrüstet auf die 0:3-Niederlage in Island. WM-Teilnehmer Bosnien-Herzegowina kassierte eine peinliche 1:2-Heimniederlage gegen Zypern. Einzig in Italien haben die Tifosi ihr Team nach dem Desaster von Brasilien wieder lieb. „Ja, das ist ein Italien, in das wir uns verlieben“, schrieb „Tuttosport“ nach dem 2:0-Erfolg der Azzurri in Oslo gegen Norwegen.
Bondscoach Hiddink wurde von der Presse nach der zweiten Niederlage im zweiten Spiel bereits infrage gestellt. Er habe „einen Teil seiner Glaubwürdigkeit bereits verloren“, schrieb das „Algemeen Dagblad“ am Mittwoch. Die Kritiker warfen dem Trainer in Prag taktische Fehler und Konzeptlosigkeit vor. Der unfassbare Abwehrfehler von Verteidiger Daryl Janmaat, der zum Last-Minute-Gegentreffer durch Vaclav Pilar führte, veranlasste das „Algemeen Dagblad“ von einem Abend zu schreiben, „der bereits im Zeichen von Panik und Versagen stand“ und „dramatisch“ endete. Hiddink erschien nach dem Frusterlebnis stark verspätet zur Pressekonferenz. „Ich war extrem verärgert“, erklärte der 67-Jährige, „und musste mich erstmal beruhigen.“
Wie in den Niederlanden gingen auch die Medien in der Türkei hart ins Gericht mit der Mannschaft von Nationaltrainer Fatih Terim. „Bereits im ersten Spiel sind wir kollabiert“, urteilte der Nachrichtensender NTV. Sport-Kolumnist Murat Özbostan ließ sich gar zu einer vernichtenden Aussage hinreißen: „Unsere Spieler haben vielleicht das schlechteste Spiel ihrer bisherigen Karriere absolviert.“
Anteil am deutlichen 0:3 auf der Vulkaninsel hatte Leverkusens Abwehrspieler Ömer Toprak, der nach seiner zweiten Gelben Karte in der 59. Minute beim Stand von 0:1 vom Feld musste. „Mit seinen zwei Gelben Karten innerhalb von fünf Minuten hat er sich selbst aus der Partie manövriert“, bemerkte der frühere FIFA-Schiedsrichter Ahmet Cakar. Der Trainer schloss sich der harschen Kritik der Medien an. „Ich bin von einigen Spielern sehr enttäuscht. Von nun an werden nur die Spieler das Nationaltrikot tragen dürfen, die es auch verdienen“, kündigte Terim in der Zeitung „Hürriyet“ an. Nach der verpassten WM-Teilnahme droht der Türkei nun auch bei der EM 2016 die Zuschauerrolle - die Gruppe A mit den Topfavoriten Tschechien und Niederlande hat es in sich.
Frust und Medienschelte mussten die Italiener nach der verkorksten WM in Brasilien genug einstecken. Nach dem überzeugenden 2:0-Sieg in Norwegen durch Tore von Simone Zaza (16.) und Leonardo Bonnucci (62.) drehte sich die Stimmung im Land des vierfachen Weltmeisters schnell wieder. „Triumphales Debüt für Conte. Wieder eine sehr überzeugende Leistung der Azzurri. Die desaströse WM in Brasilien scheint weit weg“, analysierte „Tuttosport“ den ersten Pflichtspielsieg für den neuen Nationaltrainer Antonio Conte.
Der „Corriere dello Sport“ lobte: „Was für ein Start für die Azzurri. Stabile und ehrgeizige Mannschaft. Die Italiener waren die Herren auf dem Platz: Zwei Tore und viele Gelegenheiten.“ Der frühere Juve-Spieler Conte sammelte durch das 2:0 im Test gegen die Niederlande und nun den erfolgreichen EM-Qualifikationsstart bereits reichlich Pluspunkte. Dementsprechend gelöst wirkte der 45-Jährige nach der Partie in Oslo. „Einen besseren Beginn hätte es nicht geben können. Das waren neun sehr schöne und intensive Tage. Ich hatte etwas Angst, bei einer neuen Erfahrung ist man zu Beginn immer vorsichtig“, sagte Conte. Die Italiener gelten nun neben Kroatien als der Topfavorit auf den Sieg in der Gruppe H.
Einen verbrauchten Abend erlebte Bosnien-Herzegowina bei der peinlichen 1:2-Heimpleite gegen Zypern. Die frühe Führung durch Stuttgarts Angreifer Vedad Ibisevic reichte nicht zum eingeplanten Auftakterfolg. Zudem verschoss Miralem Pjanić eine Minute vor Schluss einen Strafstoß. „Das war offensichtlich nicht unser Tag“, klagte der frühere Wolfsburg-Profi Edin Dzeko.