Krawalle in Rio de Janeiro dämpfen WM-Vorfreude
Rio de Janeiro (dpa) - 50 Tage vor WM-Anpfiff haben Krawalle in Rios Touristenviertel Copacabana erneut ein Schlaglicht auf die prekäre Sicherheitslage am Zuckerhut geworfen.
Anwohner eines Armenviertels - einer Favela - blockierten mit brennenden Barrikaden mehrere Straßen. Es fielen Schüsse, ein Mann wurde tödlich am Kopf getroffen. Die WM wird in zwölf Städten ausgetragen, doch Rio ist eines der Hauptziele für die rund 600 000 erwarteten ausländischen WM-Touristen. Der Fußball-Weltverband FIFA und die Bundesregierung vertrauen auf die Behörden.
Die Proteste richteten sich gegen den Tod eines 26 Jahre alten Berufstänzers aus einer Favela, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den wohlhabenden Vierteln Copacabana und Ipanema liegt. Douglas Rafael da Silva Pereira arbeitete für die bekannte TV-Sendung „Esquenta“ des Senders Globo. Er wurde am Dienstag tot in der Favela aufgefunden. Die Todesursache ist noch unklar, doch erhoben Familie und Freunde schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Die Mutter des Opfers beschuldigte Polizisten, ihren Sohn zu Tode geprügelt zu haben. Die Untersuchungen laufen noch.
In der mehr als sechs Millionen Einwohner zählenden Metropole gibt es Hunderte kleine und große Favelas. Schon seit 2008 setzen die Behörden im Vorfeld der Fußball-WM und der Olympischen Spiele 2016 in Rio auf die Einrichtung fester Polizeiwachen in den sozialen Brennpunkten. Fast 40 dieser sogenannten UPP-Wachen wurden bereits installiert. Die Regierung verspricht eine sichere Weltmeisterschaft und will während des Turniers vom 12. Juni bis 13. Juli rund 170 000 Polizisten, Soldaten und private Sicherheitskräfte einsetzen. Die Sicherheit außerhalb der WM-Stadien ist Staatssache.
Die FIFA und die Bundesregierung in Berlin zeigten sich am Mittwoch trotz der neuerlichen Krawalle überzeugt, dass für die Sicherheit von Spielern und Fans bei der WM gesorgt sein wird. „Die FIFA verurteilt generell jegliche Form von Gewalt. Natürlich beobachten wir die Situation in Brasilien, haben aber volles Vertrauen in die brasilianischen Behörden und deren für die FIFA WM 2014 entwickeltes Sicherheitskonzept“, erklärte FIFA-Sicherheitsdirektor Ralf Mutschke.
Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. „Grundsätzlich gilt: Wir haben volles Vertrauen in das, was unsere brasilianischen Kollegen da in den letzten Jahren organisiert haben. Das wird ganz sicher ein großes Fußballfest“, sagte der Sprecher. Er räumte aber auch ein, dass es derzeit etwa in Rio soziale Probleme gebe, „um die sich die brasilianische Regierung kümmert und kümmern muss“. In Rios Maracanã-Stadion wird am 13. Juli das WM-Finale ausgetragen.
Die militarisierte Polizei steht in Brasilien nicht im besten Ruf. Bei den Massenprotesten während der WM-Generalprobe, dem Confed-Cup im vergangenen Sommer, gingen Sondereinheiten oft mit brachialer Gewalt gegen Demonstranten vor. Nachts kam es immer wieder zu massiven Ausschreitungen und Straßenschlachten zwischen der Polizei und gewaltbereiten Randalierern in Rio, São Paulo und zahlreichen anderen Städten. Am Zuckerhut sorgte im vergangenen Jahr auch der Fall des Arbeiters Amarildo de Souza aus der größten Favela Rocinha für Aufsehen und Proteste. Er wurde von Polizisten zu Tode gefoltert.
Auch an anderen WM-Standorten ist die Sicherheitslage ein Thema. Erst vorige Woche wurden während eines zweitägigen Streiks der Polizei im Großraum der nordostbrasilianischen Stadt Salvador da Bahia laut Behörden 39 Menschen ermordet. Zudem kam es zu zahlreichen Plünderungen und Ausschreitungen. Die Landesregierung schickte 6000 Armeestreitkräfte in die Stadt, um die Sicherheit wiederherzustellen. Die deutsche Nationalmannschaft bestreitet am 16. Juni in Salvador ihr erstes WM-Spiel gegen Portugal. Zu der Partie wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet.