Laurent Blanc am Rassismus-Pranger
Paris (dpa) - Nur zehn Monate nach dem WM-Fiasko von 2010 braut sich über Frankreichs Fußball erneut ein schwerer Sturm zusammen. Nationaltrainer Laurent Blanc wird der Diskriminierung junger Nachwuchsspieler beschuldigt.
Ausgerechnet der „Saubermann“, der beliebte „Président“, der die „Bleus“ mit zuletzt sechs Siegen in Serie wieder stark und hoffähig gemacht hatte, steht jetzt am Rassismus-Pranger. Immer mehr Franzosen fordern die Entlassung des 45-Jährigen. „Wenn Blanc verwickelt ist, muss er natürlich gehen“, sagt etwa kein Geringerer als der schwarze Rekordnationalspieler Liliam Thuram, 1998 Kollege von Blanc im siegreichen WM-Team der „équipe tricolore“.
„Thuram macht Druck“, titelte das Sportblatt „L'Équipe“ groß auf Seite eins. Aber nicht nur der Ex-Profi, der für seinen Einsatz für Menschenrechte und gegen Rassismus bekannt ist, und die Fußballwelt reagierten bestürzt. „Inakzeptabel, blöd, erschreckend“, schimpfte die Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Martine Aubry. Kritik kam auch aus anderen Parteien. Und obwohl Blanc bisher einen sehr guten Ruf genoss, sprachen sich immerhin 30 Prozent der Leser des Fachmagazins „France Football“ für einen Rauswurf des Trainers aus.
Blanc, Kapitän des Weltmeisters 1998, und den weiteren mutmaßlich verwickelten Verbandsfunktionären drohen offenbar schlimmere Folgen als ein einfacher Rausschmiss. Im Interview mit der Zeitung „Le Parisien“ meinte Sportministerin Chantal Jouanno, eine Anrufung der Justiz sei nicht ausgeschlossen, „sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen“. Am Dienstag begannen in Paris zwei Untersuchungen der Affäre, die jeweils vom Verband FFF sowie vom Sportministerium geführt werden.
Der Skandal war von einem Bericht der seriösen Internetzeitung „Mediapart“ ausgelöst worden. Demnach plante der FFF die Einführung einer Quote von höchstens 30 Prozent für Spieler mit afrikanischem Migrationshintergrund für die Sportschulen und Trainingszentren im ganzen Land. Das Projekt, das für Jugendliche im Alter von 13 Jahren und drüber gelten sollte, sei bei einem „geheimen Treffen“ im November erarbeitet worden. Blanc sagte dem Portal: „Bin total dafür“.
Der Technische Direktor des FFF, François Blaquart, wurde bereits mit sofortiger Wirkung suspendiert. Er hatte die Pläne indirekt eingeräumt und gesagt: „Unser Problem sind nur die Spieler mit doppelter Nationalität“, die der „Équipe“ den Rücken kehren und für die Auswahl ihres Herkunftslandes spielen könnten. Auch Blanc hatte diesbezüglich jüngst öffentlich von einem „schlimmen Problem“ gesprochen. Gemeint sind Profis wie der derzeit beste Ligue-1-Torjäger Moussa Sow (OSC Lille), der für den Senegal kickt.
Blanc nahm unterdessen Reißaus. Nachdem er zuvor noch von einer „Lüge“ gesprochen und dann gesagt hatte, er wolle sich für „eventuelle Missverständnisse entschuldigen“, sagte er mehrere Termine ab und tauchte im Norden Italiens unter. „L'Équipe“ schließt nicht aus, dass Blanc von sich aus seinen Hut nimmt. „Er ist sehr betroffen“, räumte auch FFF-Präsident Fernand Duchaussoy ein. „Blancs Fehler war, dass er zunächst alles bestritten hat. Seine Entschuldigung war dann nicht überzeugend“, sagt Thuram.