Löw überrascht: „Katar mutige Entscheidung“
Berlin (dpa) - Für Joachim Löw ist die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar „eine im Moment unglaublich mutige Entscheidung“ - den Wüsten-Test hat der Bundestrainer mit seinem Team schon absolviert.
Im Vorjahr schoss die deutsche Nationalmannschaft im WM-Monat Juni bei extremen klimatischen Bedingungen in Dubai die Vereinigten Arabischen Emirate mit 7:2 ab. „Die Spieler haben unter den Temperaturen ganz schön gelitten, obwohl der Gegner nicht der stärkste war“, erinnerte sich Teamarzt Tim Meyer an den Ausflug nach Arabien. „Man ist froh, dass man es überstanden hat“, kommentierte der Münchner Bastian Schweinsteiger die damalige Strapaze.
„Russland ist eine Fußball-Nation. Aber von Katar bin ich schon überrascht. Ich hätte gedacht, dass Bewerber mit Fußball-Tradition den Zuschlag bekommen“, sagte Löw am Freitag zur umstrittenen Auswahl der WM-Gastgeber für 2018 und 2022. „Auf der anderen Seite erschließt das neue Länder für den Fußball“, ergänzte der Bundestrainer. Auch Südafrika sei zunächst mit viel Skepsis begegnet worden, meinte Löw: „Und sie haben es auch gut gemacht. Man muss es erleben.“ Mit Katar wird erstmals ein arabisches Land die weltbesten Kicker empfangen.
Dass Katar trotz der für ein Fußball-Championat ungewöhnlichen Bedingungen eine gute WM ausrichten kann, steht für den DFB-Chefcoach nicht in Zweifel: „Ich denke, dass es in Sachen Organisation und Stadien ein hervorragendes Turnier wird.“ So will das Emirat klimatisierte Arenen errichten. „Die Frage sind andere Dinge: Eine große Rolle wird die Hitze sein“, meinte Löw. „Das war schon eine Belastung. Bei 40 Grad zu spielen und zu trainieren, ist schon schwierig“, blickte der Freiburger 18 Monate zurück.
Bei Temperaturen um die 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von mindestens 80 Prozent war in Dubai, wo ähnliche Bedingungen wie in Katar herrschen, im Freien ein Training erst am späten Abend möglich. Jeder Sprint wurde zum Charaktertest, jede Grätsche zu einer Frage des Willens. „Allein schon Gehen strengt an“, schilderte der Ex-Stuttgarter Thomas Hitzlsperger die besondere Herausforderung.
Auch sonst war das Erlebnis am Persischen Golf ein ganz besonderes. Von den 7000 Zuschauern im Al-Maktoum-Stadion, die unter anderem vier Tore von Mario Gomez sahen, waren die meisten deutsche Urlauber oder Geschäftsleute. Nur ein paar Dutzend Einheimische hatten sich auf den Rängen versammelt. Die Nationalhymnen fielen aus. Nachdem aus den Lautsprechern nur ein Krächzen gekommen war, sangen die deutschen Anhänger die Hymne ohne musikalische Begleitung.
Der wichtigste Punkt werde es sein, „unter welchen Bedingungen Training und Spiele stattfinden. Wenn alles klimatisiert ist, sehe ich aus medizinischer Sicht nicht so ein großes Problem“, sagte Mannschaftsarzt Meyer. Bei einem WM-Turnier 2022 in Katar müsse man sich mit den Problemen klimatisierter Räume, zum Beispiel mit der meist sehr trockenen Luft, auseinandersetzen. Ein Aufenthalt im Freien ist nur eingeschränkt möglich - auch für die Fans. „Es ist ja nicht nur die sehr hohe Temperatur allein, sondern auch die direkte Sonneneinstrahlung ist massiv“, unterstrich der Teamarzt.
Bei einem bis zu fünfwöchigen Turnier muss natürlich auch die Frage gelöst werden, „welche Auswirkungen es auf das tägliche Miteinander hat, wenn sich eine Mannschaft über einen so langen Zeitraum nur in geschlossenen Räumen aufhält“, bemerkte Meyer. Schon im Sommer diesen Jahres war das Teamhotel am Rande von Pretoria von der Außenwelt isoliert gewesen. Zumindest konnte ohne Einschränkungen trainiert werden. Auch deshalb rätselt Löw noch über Katar als WM- Ausrichter: Für die genauen Gründe für den Zuschlag der FIFA würden ihm „im Moment die Hintergründe fehlen“.