Lúcio steht bei São Paulo vor dem Aus

São Paulo (dpa) - Ausgerechnet am Tag des Duells zwischen seinem Ex-Verein Bayern München und dem FC São Paulo erreichte Lúcio die Hiobsbotschaft. Sein Club São Paulo, der ihn erst gar nicht zum Audi-Cup nach München mitnahm, will ihn loswerden.

„Wir werden ein Geschäft mit Lúcio machen, wir werden über ihn verhandeln“, sagte Club-Präsident Juvenal Juvêncio. „Es gab bereits ein Sondierungsgespräch, jetzt werden wir sehen, ob das machbar ist.“ Damit dürfte das Aus des 35-jährigen Abwehr-Veterans bei dem Erstliga-Club faktisch besiegelt sein. Seine Rückkehr in die Heimat hatte sich der Weltmeister von 2002 anders vorstellt.

Er war erst im Januar als Hoffnungsträger bei São Paulo gefeiert worden, rutschte dann durch mehrere Patzer in die Rolle des Sündenbocks. Auch mit dem neuen Trainer Paulo Autuori stimmte die Chemie nicht. Er hatte Lúcio am vergangenen Freitag suspendieren lassen. „Er hatte ein kleines Problem mit dem Coach“, räumte Juvêncio im Exklusiv-Interview mit der Sportzeitung „Lance!“ ein. Nächste Woche werde man mit Lúcio das Gespräch suchen. Der „Nummer 3“ gelang seit seiner Rückkehr auf den Rasen im Januar kein wirklich überzeugender Auftritt in Brasilien. Lucimar da Silva Ferreira, genannt Lúcio, kam im Dezember zum FC São Paulo, wo er einen Vertrag bis 2015 unterschrieb. Vorher hatte er einige Monate bei Juventus Turin gespielt - inklusive einer Verletzungspause.

Bei seiner Rückkehr hatte er noch von höheren Weihen geträumt: „Ich kann nicht verheimlichen, dass ich gerne in die Seleção zurückkehren würde“, sagte der langjährige Mannschaftskapitän der brasilianischen Nationalelf. Damit spielte er auch auf die WM 2014 in Brasilien an. 2002 hatte er unter dem heutigen Nationalcoach Luiz Felipe Scolari den fünften WM-Titel für Brasilien geholt.

Doch dieser Traum rückte mit den bislang 31 Spielen, die er für São Paulo absolvierte, in weite Ferne. Er wurde nicht nur nicht in die Seleção berufen, er geriet auch in seinem Club immer stärker unter Druck. Lúcio wurde für die Niederlage im Achtelfinale der Copa Libertadores gegen Ronaldinhos Club Atlético Minas Gerais im Mai mitverantwortlich gemacht, weil er nach einem Foulspiel die Rote Karte bekam und sein bis dahin führender Verein das Spiel verlor.

Zuvor hatte er bei einer Gelegenheit übertrotzig reagiert, als er in einem Libertadores-Spiel durch den damaligen Trainer Ney Franco ausgewechselt wurde. Lúcio war sauer, wartete erst gar nicht auf seine Teamgefährten und setzte sich alleine in den Bus. So sammelt man in Brasilien keine Sympathiepunkte. Als er dann vorige Woche im Morumbi-Stadion im Erstliga-Spiel gegen Internacional den Ball verlor und dies im Folge-Spielzug zum Gegentor führte, war bei Coach Autuori das Maß offenbar voll. Er ließ Lúcio suspendieren.

Seitdem brodelte die Gerüchteküche in Brasilien. „Lúcio wird wohl nicht mehr im Trikot von São Paulo auflaufen“, prophezeite die Zeitung „Estado de São Paulo“ und zeigte sich sicher, dass es schon abgemachte Sache sei, dass der Verteidiger „in den nächsten Tagen“ an einen Club im arabischen Raum abgegeben werde.

Lúcio selbst dürfte vom Lauf der Dinge überrascht sein, denn noch am vergangenen Mittwoch hatte er den Teamgeist beim FC São Paulo beschworen. „Ich glaube, dass die größte Kraft, die wir haben, das Team ist. Wir werden gemeinsam nachdenken, weil wir alle das selbe Ziel haben. Jetzt ist die Stunde, um den Mut und den Charakter zu zeigen“, hatte er die Parole für den von Niederlagen geplagten FC São Paulo ausgegeben.

Nur drei Tage später folgte dann die Suspendierung. Wie Hohn dürfte in den Ohren des Verteidigers die Bilanz nach dem Derby São Paulo-Corinthians am Sonntag (0:0) geklungen haben. „Die neue Verteidigung“, hieß es da euphorisch in einer Mitteilung des Clubs. Darin lobte Trainer Autuori das ohne Lúcio aufgelaufene Defensiv- System über den grünen Klee. Die Äußerungen des Club-Präsidenten waren da nur der logische Schlusspunkt. Lúcio blieb zunächst in der Defensive und äußerte sich nicht.