Ribérys Abrechnung und Newcomer begeistern Frankreich
Paris (dpa) - Lange verteufelt, plötzlich wieder geliebt: Die „Grande Nation“ hat ihre französische Fußball-Nationalmannschaft wieder ins Herz geschlossen. Nach dem 2:0 (2:0) gegen Vize-Weltmeister Niederlande herrschte gar losgelöste Stimmung rund um das Stade de France.
Völlig vergessen schien, dass die Équipe um Bayern-Star Franck Ribéry sich erst im November in den WM-Playoffs nur mühevoll gegen die Ukraine durchgesetzt (0:2, 3:0) hatte. Die Zeitung „Le Parisien“ feierte die „höchst bezaubernden Bleus“ auf Seite eins. Das Sportblatt „L'Équipe“ sah „ein Stade de France im siebten Himmel.“ Die Fans bedankten sich mit Ovationen und stimmten in den Straßen des Pariser Vororts Saint-Denis Freudengesänge an.
„Man muss bei der WM mit uns rechnen“, tönte Mittelfeldmann Blaise Matuidi nach dem Abpfiff grinsend. Vor 80 000 Zuschauern hatten die Gastgeber gegen lustlos wirkende Gegner nicht wirklich Mühe, die niederländische Serie von 17 Spielen ohne Niederlage zu beenden. Karim Benzema (32.) und Matuidi per Seitfallzieher (41.) gelangen sehenswerte Tore. Besondere Genugtuung dürfte aber Ribéry verspürt haben. Nicht nur, weil er in der 63. Minute eingewechselt wurde und einen Monat nach seiner Gesäß-OP ein Comeback feierte. Mit dem Sieg rechnete der 30-Jährige auch mit seinen wenig geschätzten Münchner Ex-Trainer Louis van Gaal zumindest ein wenig ab.
Beeindruckend war am Mittwochabend unterdessen weniger der Sieg an sich, sondern der Einsatz, die Konzentration und vor allem die bei der „Équipe tricolore“ in den vergangenen Jahren sehr oft vermisste mannschaftliche Geschlossenheit. Kein Wunder, dass so viele nach dem ersten Sieg über Oranje seit 1997 das Wort „Kollektiv“ in den Mund nahmen. Frankreich sei nun ein echtes Team, stellten zum Beispiel Torwart Hugo Lloris, Nizza-Coach Claude Puel und viele Medien fest. Oder wie Matuidi sagte: „Wir sind eine Gruppe, die zusammenhält.“
Nach drei internationalen Turnieren (Euro 2008, WM 2010 und Euro 2012) mit vielen Pleiten und noch mehr internen Querelen hofft ganz Frankreich auf ein Team mit Charakter und Einheit. Solche Peinlichkeiten wie der berüchtigte Trainingsstreik von Knysna in Südafrika sollen nie wieder vorkommen. „L'Équipe“ ist optimistisch: „Vier Jahre danach ist der Wandel enorm“, schrieb das Blatt am Donnerstag. Sicher ein Verdienst von Trainer Didier Deschamps, der einige Unruhestifter aussortierte und junge Spieler einbaute. Gegen die Niederlande zeigten nicht nur die Debütanten Lucas Digne (20) und Antoine Griezmann (22), sondern auch Raphaël Varane (20), Eliaquim Mangala (23) und Paul Pogba (20) vielversprechende Leistungen.
„Das weckt Lust auf Brasilien“, schrien die Fans in Saint-Denis außer sich vor Freude in die TV-Kameras. Dass der Sieg gegen eine „Elftal“ ohne die angeschlagenen Bundesliga-Routiniers Arjen Robben (Bayern München) und Rafael van der Vaart (HSV) sowie andere Stammspieler allerdings auch nicht überbewertet werden darf, wissen viele. Darunter auch van Gaal: „Ich habe heute kein sehr erfahrenes Team aufgeboten. Wir haben im Mittelfeld zu viele Bälle verloren.“ Daher sah sich Deschamps vor Journalisten auch veranlasst, die Euphorie etwas zu bremsen: „Ihr dürft euch begeistern, aber bitte nicht zu sehr“, sagte der 45 Jahre alte Weltmeister von 1998.