Ronaldos Heulkrampf öffnet die Herzen
Zürich (dpa) - Diese Tränen waren echt. Kein Imageberater hätte diesen Auftritt so inszenieren können. Mit seinem Emotionsausbruch hat Cristiano Ronaldo die Fußball-Welt gerührt und in wenigen Sekunden wahrscheinlich mehr für sein Ansehen bewirkt als mit jeder millionenschweren Marketingkampagne.
Das war kein Schnösel oder berechnender Megastar, der als Weltfußballer 2013 auf dem Siegerpodium seinen kleinen Sohn Cristiano junior herzte, hemmungslos weinte, als er seine ebenfalls schluchzende Mutter im Publikum erblickte und an der Schulter des großen Pelé seine Tränen trocknete.
„Ich bin eine emotionale Person. Es war nicht einfach. Ich habe es nicht aushalten können, als ich meinen Sohn gesehen habe und meine Mutter in Tränen. Ich bin so. Vielleicht lachen sie über mich, aber es ist mir egal, es war ein sehr besonderer Moment“, sagte der 28-Jährige immer noch bewegt über den Augenblick des Glücks, als Pelé ihm endlich wieder den ersehnten Goldenen Ball überreichte.
„Man hat gesehen, welche Emotionen dahinter stecken, selbst für so große Spieler wie Ronaldo“, kommentierte Welttrainer Jupp Heynckes den bewegenden Moment im Zürcher Kongresshaus. Zentnerlasten der selbst auferlegten Erwartungen müssen von Ronaldo gewichen sein. Die steten Demütigungen der Niederlagen gegen Lionel Messi von 2009 bis 2012 hatten offenkundig Spuren hinterlassen, tief drin im oft als sensibel, aber eben auch als oberflächlich titulierten Portugiesen.
Debatten über den Wahlmodus prallten an Ronaldo ab. Zu oft hat er sich selbst als besten gesehen und nicht den Sieger des Ballon d'Or. „Es ist nicht eine Frage der Gerechtigkeit. Sowohl Franck Ribéry und Lionel Messi und auch ich können gewinnen. Ich habe eine Saison individuell sehr gut gespielt. Ich bin sehr glücklich. Ich will nächstes Jahr hier wieder sein und versuchen, meinen dritten Goldenen Ball zu gewinnen“, sagte er.
Als erster Spieler von Real Madrid seit Alfredo di Stefano 1959 gewann Ronaldo den Ballon d'Or. Und so wie die Fußball-Welt diskutiert, ob ein Mann ohne Titel der Beste des Jahres sein kann, ist auch Spanien gespalten. Aus dem Messi-Land Barcelona hieß es in der Zeitung „Sport“: „Diesmal gewann nicht der Beste“. Das Real-freundliche „As“ sah es genau anders: „Der Beste hat gewonnen. Die Weltpresse liegt Cristiano zu Füßen und beschwört das Ende der Messi-Ära.“
Ungetrübten Freudentaumel gab es nur in Portugal: Sogar die Politiker vergaßen für kurze Zeit alle Finanzprobleme und die Rekordarbeitslosigkeit, um dem berühmtesten Sohn des Landes zu huldigen. Während sich in Lissabonner Cafés wildfremde Menschen umarmten, die Gläser erhoben und „Ronaldo, Ronaldo“, schrien, jubelte auch Regierungschef Pedro Passos Coelho: „Ronaldo verleiht unserem Land Ansehen!“ Für die WM in Brasilien, wo Portugal in der Vorrunde auch auf Deutschland trifft, sei der Sieg von CR7 „ein gutes Omen“, meinte der 49-jährige konservative Politiker, übersah dabei allerdings den Fakt, dass noch nie seit 1957 ein amtierender Ballon d'Or-Gewinner die nächste WM gewinnen konnte.
Die nationalen Medien waren außer Rand und Band: „Kommandant Ronaldo liegt die Welt zu Füßen“, schrieb „Record“. Sowohl das Sportblatt als auch die Zeitung „Diario de Noticias“ machten das Weinen Ronaldos bei der Siegerehrung in Riesenlettern auf Seite eins zu „Goldenen Tränen“.