Seleção „im Hurrikan“: Scolari fordert Schulterschluss
Brasilia (dpa) - Anpfiff Brasilien! Mit dem Auftaktspiel zum Confed Cup am Samstag gegen Japan beginnt für die Seleção der Countdown zur Heim-WM 2014. Die Euphorie ist groß, die Skepsis aber auch. Deshalb hat Luiz Felipe Scolari die Bevölkerung zum Schulterschluss aufgefordert.
„Wir sollten die Differenzen vergessen und uns zusammentun. Nicht nur als Fußballnation, sondern auf allen Gebieten. Wir sollten uns darauf besinnen, dass wir ein gut verwaltetes Land sind, ein Land, das Zukunft hat“, sagte der Nationaltrainer in einer emotionalen Pressekonferenz in Brasilia.
Sein Team steckt mitten im Neuaufbau. Auch die Defensivspezialisten Dante und Luiz Gustavo vom Champions-League-Sieger FC Bayern München stehen für den Umbruch, der im nächsten Jahr zur „Hexacampeão“ - dem sechsten WM-Titel - führen soll und von der ganzen Fußballnation mit Argusaugen beobachtet wird.
„Wir haben etwas verloren, weil wir keine Altstars mehr in der Auswahl haben. Aber wir haben an Stärke gewonnen durch die Jungen und wünschen uns, dass wir Erfolg haben“, sagte Scolari. Bis zur WM, so erklärte es einst Scolaris gescheiterter Vorgänger Mano Menezes, wird Brasiliens Fußball „in einem nie nachlassenden Hurrikan leben“.
Bitterlich beklagte sich Scolari nun über die öffentliche Wahrnehmung. „Die aus dem Ausland kommen, respektieren uns - und das sogar sehr. Bei uns aber wird der Eindruck erweckt, dass wir eine schlechte, kleine Mannschaft haben“, sagte Scolari und betonte: „Unsere Mannschaft ist sehr gut, wir müssen nur Geduld haben.“
Selbst der dritte Sieg beim Confed Cup hintereinander wäre aber ein Muster ohne Wert für den Titelverteidiger: 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika war Brasilien ein Jahr nach der gelungenen Generalprobe dann beim Endrundenturnier gescheitert. „Wir alle kennen unsere Verantwortung und werden alles tun, um den Titel beim Confed Cup und - viel wichtiger - bei der WM zu gewinnen“, sagte Jungstar Neymar.
Der 57 Millionen Euro teure Neuzugang des FC Barcelona ist zusammen mit Lucas vom FC Paris Saint-Germain der Liebling der Dutzend Zahnspangenträgerinnen, die in Brasilia erwartungsvoll vor dem Trainingsplatz auf dem Gelände der Militär-Feuerwehr stehen. Zugang haben die Fans nicht, der Mannschaftsbus rollt an ihnen vorbei. Dabei schwänzen die Mädchen fünf Tage lang die Schule, um den Starkickern überallhin zu folgen. „Die wollen nur unser Geld. Wir sollen sie hier und bei der WM unterstützen, aber wir dürfen nicht mal zum Training“, schimpft ein 17-Jähriger im kanariengelben Shirt.
„Wir fangen neu an, aber wir sind immer noch Brasiliens Nationalteam“, sagte Scolari. „Und als Nationalteam brauchen wir die Unterstützung für jene, die das brasilianische Trikot auf dem Platz tragen, die versuchen, den vierten Confed-Cup-Titel zu holen.“ Ronaldinho und Kaká, die glücklosen Stars von 2006 und 2010 hat Scolari aussortiert. Aus dem Südafrika-Kader von vor vier Jahren sind nur noch Julio Cesar, Dani Alves und der jetzige Kapitän Thiago Silva dabei.
Die Mini-WM ist auch ein mentaler Härtetest für die Hochbegabten um Neymar. „Der Druck, der vom Umfeld ausgeht - das heißt von den Medien und der gesamten Bevölkerung - lässt einen Reaktionen zeigen, die man sonst vielleicht nicht zeigen würde“, erklärte der Nationaltrainer, den alle nur Felipão nennen. „Der Confederations Cup wird ganz entscheidend sein, um zu sehen, wie die Spieler darauf reagieren, im positiven und im negativen Sinne. Davon ausgehend werden wir dann unsere Entscheidungen im Hinblick auf die Weltmeisterschaft treffen.“ Das Turnier jetzt sei „Gold wert“: Zu 90 Prozent werde er seine WM-Mannschaft hier finden.
2002 hatte Scolari die Seleção zum letzten WM-Titel geführt. Carlos Alberto Parreira (70), der Coach der Weltmeister-Mannschaft von 1994, war als brasilianischer Trainer 2006 im Viertelfinale ausgeschieden und ist inzwischen Technischer Direktor. „Unser größtes Problem ist die Generationslücke“, räumt Parreira ein.