Sensation in Afrika: Kapverden vor Jahrhundert-Erfolg
Lissabon (dpa) - Ein kleiner und armer Inselstaat versetzt dieser Tage Fußball-Afrika in helle Aufregung. Die Kicker von den Kapverden stehen vor einem sensationellen Jahrhundert-Erfolg:
Nach dem 2:0-Heimsieg über die hoch favorisierte Auswahl aus Kamerun können die Blauen Haie, wie die Nobodys aus dem Atlantik-Archipel genannt werden, am Sonntag beim Rückspiel in Jaunde erstmals die Qualifikation für den Afrika Cup schaffen. Die Teilnahme am Turnier im Januar 2013 mit 16 Mannschaften des Kontinente in Südafrika wäre vergleichbar mit einer EM-Qualifikation Aserbaidschans oder Albaniens.
Nicht schlecht für ein Land, das mit 500 000 Einwohnern in Afrika nur größer als die Zwergstaaten Sao Tomé und Príncipe oder Seychellen ist. Für ein Land, dessen Geschichte fast nur von Hungerkatastrophen und Massenauswanderung geprägt ist. „Solche Erfolge hätten wir nicht in unseren kühnsten Träumen erwartet“, räumt Nationaltrainer Lúcio Antúnes ein. Bei der letzten Veröffentlichung der FIFA-Weltrangliste verbesserten sich die Kapverdier um 14 Plätze auf den bisher nie erreichten Rang 51. Noch im Jahr 2000 gehörte die erst 1982 ins Leben gerufene Nationalelf als 182. zu den schlechtesten Teams der Welt.
Die Fußballer der früheren Kolonie Portugals überholten in der Weltrangliste nicht nur den Gegner vom Sonntag, sondern auch so namhafte Teams wie Nigeria, Polen, Schottland, Bulgarien oder Österreich. Ihr Star heißt Lito, ein schon 37-jähriger Stürmer, der in Portugal beim abstiegsgefährdeten Zweitligisten Atlético kickt und einen Marktwert von 300 000 Euro hat.
Alle Haie spielen im Ausland. Zumeist bei kleineren Teams in Portugal, aber auch in Luxemburg, Zypern, Ungarn, Rumänien oder Frankreich. Die Stürmer Zé Luís (Braga) und Ryan Mendes (OSC Lille) machen diese Saison immerhin in der Champions League mit. Ganz gute Kapverdier, wie ManU-Star Nani oder Abwehrmann Rolando, kicken lieber für die Auswahl von Portugal. Der ehemalige Profi vom Hamburger SV, Mickael Tavares, entschied sich für den Senegal statt für die Heimat seiner Vorfahren.
Dennoch ist die Hoffnung auf den neun bewohnten Inseln im Atlantik 460 Kilometer vor der Westküste Afrikas riesengroß. Die Regierung in Praia erklärte die Qualifikation inzwischen zur „nationalen Mission“. Sie versprach Sonderprämien und stellte dem Team für Freitag erstmals einen Charterflug zur Verfügung. Viele Minister wollen mit nach Jaunde, um die „Haie“ vor 38 000 im Stade Ahmadou Ahidjo anzufeuern. Doch Gegner Kamerun bleibt mit einem Olympiasieg, vier Afrika-Titeln, sechs WM-Teilnahmen und seinem zurückkehrenden Superstar Samuel Eto'o auch nach der Hinspielniederlage vom 8. September klarer Favorit.
In Kamerun hatte die Schlappe damals wie eine Bombe eingeschlagen. Aufgebrachte Fans attackierten den Sitz des Nationalverbandes, der französische Trainer Denis Lavagne wurde prompt vor die Tür gesetzt. Premierminister Philémon Yang griff ob der landesweiten Verzweiflung persönlich ein und überredete Volksidol Eto'o bei einem Treffen in Jaunde zum Comeback. Der 31-Jährige, der in Russland bei Anschi Machatschkala mit 20 Millionen Euro pro Jahr so viel wie kein anderer Fußballer weltweit verdient, hatte seinen Rücktritt vom Nationalteam erklärt „so lange im Verband Amateurhaftigkeit und Chaos herrschen“.
Nun eilt der frühere Profi von Real Madrid, Barcelona und Inter Mailand doch zur Rettung der „unzähmbaren Löwen“ in die Heimat. Er und der neue Coach Jean Paul Akono sollen es richten. Akono führte Kamerun ja immerhin als Coach bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney zur Goldmedaille, Eto'o schoss in 109 Länderspielen 54 Tore. Auf Bitte „der höchsten Autorität des Landes“ stelle er sich wieder in den Dienst seiner Heimat, „wie ich das in den letzten 15 Jahren immer getan habe“, schrieb der Stürmer nun auf seiner Homepage.
Doch wenn es nach den Kickern von den Kapverden und deren Trainer geht, wird das Heimteam um die zurückgekehrten Routiniers wie Eto'o, den früheren Bremer und Kölner Pierre Wome und Modeste Mbami die zweite Afrika-Endrunde in Serie verpassen. „Wir fahren mit einem guten Polster. Das Spiel wird sehr schwer. Aber mein Team hat Moral getankt und kann auch auswärts Kamerun schlagen“, tönte Coach Antúnes diese Woche am Rande eines Trainingslagers in Lissabon. Er beteuert, man werde auch wegen Eto'o „die Spielphilosophie nicht ändern“.