Vor EM kämpft Polen gegen die Zeit

Warschau (dpa) - Den Generalsekretär des Polnischen Fußball-Verbandes PZPN kann eigentlich nichts mehr aus der Fassung bringen. Vor dem Spiel seiner Nationalmannschaft gegen Deutschland am Dienstag platzte Zdzislaw Krecina jedoch der Kragen.

„In diesem Land ist alles möglich“, klagte der Funktionär der Sportzeitung „Przeglad Sportowy“ sein Leid. Eine Absage der Partie gegen die DFB-Auswahl wäre für Polen eine „Blamage vor der ganzen Welt“ gewesen, sagte er.

Mit ihrer Weigerung, für das Event in der Danziger EM-Arena eine Genehmigung zu erteilen, hatte die Feuerwehr nicht nur die polnische Öffentlichkeit schockiert. Eine Kontrolle habe 26 Mängel unter anderem beim Brandschutz ergeben, erläuterte ein Sprecher. Erst nach der Intervention des Danziger Bürgermeisters Pawel Adamowicz wurde „bedingt“ grünes Licht für die Veranstaltung gegeben. Wie konnte nur eine solche Panne passieren, fragten Kommentatoren.

Die Posse um das Spiel in Danzig ist nur ein Beispiel für viele Probleme, vor denen EM-Gastgeberland Polen neun Monate vor Beginn der EURO 2012 steht. Das Testspiel gegen Deutschland sollte ursprünglich im Nationalstadion in Warschau stattfinden. Doch dort konnten Termine nicht eingehalten werden. Eine falsch gelegte Außentreppe verzögerte den Abschluss der Bauarbeiten bis November - ein weiterer Imageverlust für das Land. Auch in Breslau wird noch gebaut.

Dabei kann Polen auf seine neuen modernen Spielstätten mit Recht stolz sein. „Wo heute das Danziger Stadion steht, hatte es noch vor drei Jahren Schrebergärten gegeben“, sagt Sportminister Adam Giersz. Die Danziger Spielstätte im Bernsteinlook oder das Warschauer Stadion in Form eines weiß-roten Korbes gelten heute als architektonische Vorzeigeobjekte.

Doch nicht nur die Infrastruktur-Probleme, etwa beim Bau der Autobahn A2 von der deutsch-polnischen Grenze nach Warschau, bringen Politiker an der Weichsel um den Schlaf. Seit Jahren bekommen die Behörden das Gewaltproblem nicht in den Griff. Randale und rassistische Parolen in den Stadien, brutale Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verfeindeter Mannschaften vor und nach den Spielen, Handgreiflichkeiten gegenüber Spielern und Schiedsrichtern gehören zum Alltag des Fußballs, vor allem in der Provinz.

Nach heftigen Ausschreitungen mussten im Mai und Juni mehrere Stadien für das Publikum geschlossen werden. Die Vereinigung „Niemals mehr“ hat vom September 2009 bis März 2011 insgesamt 130 rassistische und Zwischenfälle bei Sportveranstaltungen festgestellt.

Kein Wunder, dass die Regierung „Null-Toleranz“ für Randalierer angekündigt hat. Im Sommer verschärfte das Parlament in Warschau drastisch die Strafen für Hooligans. Das Gesetzpaket sieht unter anderen Fußfesseln für Straftäter mit Stadionverbot, gerichtliches Schnellverfahren für Randalierer und ein Vermummungsverbot vor. „Wer im Sommer 2012 als Gast nach Polen reist, der braucht sich keine Sorgen zu machen“, sagte PZPN-Präsident Grzegorz Lato in einem Presseinterview.

Im Kampf gegen die Korruption wurden in den vergangenen Jahren rund 350 Schiedsrichter, Trainer, Funktionäre und Spieler festgenommen. Mehrere Drahtzieher der Manipulationen sitzen bereits in Haft. Fast jeder Tag bringt Neuigkeiten im Kampf gegen Korruption. In dieser Woche nahmen die Beamten einen Schiedsrichter und einen ehemaligen Präsidenten eines Zweitligisten fest.

Inzwischen sind in Polen auch Menschen, die zunächst mit großer Begeisterung auf den Zuschlag für die EM 2012 reagiert haben, skeptisch geworden. Nur noch 48 Prozent der Polen sind mit ihrer Gastgeberrolle zufrieden, vor vier Jahren waren es 67 Prozent.