Winter-WM perfekt - Katar bleibt maximales FIFA-Ärgernis
Zürich (dpa) - Letztlich ging es doch noch schneller als erwartet: Schon an seinem ersten Sitzungstag hat das FIFA-Exekutivkomitee die erste Winter-WM der Fußball-Geschichte beschlossen.
Das umstrittene Turnier in Katar soll im Jahr 2022 wie von FIFA-Boss Joseph Blatter gewünscht am 18. Dezember enden - dem Nationalfeiertag des Gastgeberlandes. Mediendirektor Walter De Gregorio wurde am Donnerstagabend vor die Weltpresse geschickt, nachdem die Nachricht an englische Medien durchgesickert war. Eigentlich wollte Blatter die historische News erst am Freitag höchstpersönlich verkünden.
28 Tage soll die WM dauern. Das Eröffnungsspiel am 20. November ist aber noch abhängig von Verhandlungen mit den europäischen Profiligen über den internationalen Spielkalender. Erstmals in der WM-Geschichte seit 1930 wird ein Turnier nicht im europäischen Sommer stattfinden, allen Protesten zum Trotz.
Der Weg zum ersten Winterturnier war extrem schwierig. Franz Beckenbauer war der Erste, der die Wahrheit offen aussprach. Aber nicht einmal auf den Kaiser wollten sie bei der FIFA zunächst hören. Eine Fußball-WM in Katar im Sommer ist unmöglich, das war nicht nur Beckenbauer klar. Und dennoch brauchten die Mächtigen des Weltverbands inklusive Präsident Blatter lange, um die vielleicht folgenreichste Entscheidung in der 111-jährigen FIFA-Historie wenn nicht per Turnier-Entzug zu revidieren, dann doch zumindest zu modifizieren.
„Es wurde nicht unterschätzt, aber man hat es vielleicht nicht richtig angeschaut“, sagte Blatter nach seiner totalen Kehrtwende in der langen Termindebatte. Mehr als zwei Jahre hatte der Schweizer zuvor jedes Klimaproblem in Katar bestritten. Die erste Winter-WM wird 2022 kommen, daran bestand schon vor der entscheidenden Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees kein Zweifel mehr. „Ich gehe davon aus, dass der Wintertermin bestätigt wird“, sagte auch DFB-Chef Wolfgang Niersbach.
Sanft schien am Donnerstag die Frühlingssonne auf die granitgrau glänzende Fassade der FIFA-Zentrale, als die Exko-Mitglieder in dunklen Limousinen nach und nach vorfuhren. Neben dem angrenzenden Kunstrasenplatz wehten die Fahnen der 209 Mitgliedsverbände, sechs Konföderationen und der UNO sachte im Wind. So sieht Blatter das Home of FIFA gerne.
In dem einer Trutzburg ähnelnden Gebäude versammelte sich die Welt-Regierung des Fußballs, um die noch zu klärenden Termindetails festzuzurren. Einmütig sei sie getroffen worden, sagte De Gregorio. Das deutsche Mitglied Theo Zwanziger - Blatters Katar-Beauftrager - fehlte am Donnerstag aus privaten Gründen, wurde erst am Freitag in der Schweiz erwartet. Die Meinung des Katar-Beauftragten von Blatter war nicht mehr gefragt.
Insider in der Schaltzentrale der Fußball-Macht berichten gerne, dass vor der WM-Vergabe vor immerhin gut vier Jahren keiner der damals 22 Wahlmänner aus dem FIFA-Exekutivkomitee - unter ihnen auch Beckenbauer - die warnenden Worte über unerträgliche Hitze bei einer WM am Golf im Evaluierungsbericht überhaupt gelesen hatte.
Dies implizierte auch der Report der Ethikhüter aus dem Vorjahr, die den Turnierzuschlag unter moralischen Gesichtspunkten beleuchteten, aber keine gravierenden Fehlleistungen feststellten. Die 14 FIFA-Funktionäre, die Katar die Stimme gaben, entschieden offenbar auf Grundlage anderer Argumente.
Katar-Kritiker unter den Fußball-Mächtigen lästern ob der Größe des Emirats und der Bedeutung des Fußballs dort, dass auch niemand auf die Idee gekommen wäre, das Großherzogtum Luxemburg zum WM-Gastgeber zu ernennen. Blatter hat für derlei Ketzereien keine Zeit. Die WM in Katar wird für ihn ein großes Ärgernis bleiben - seine Wiederwahl im Mai vorausgesetzt - wohl die komplette nächste Amtszeit. Denn auch nach der Terminverschiebung bleiben der generelle Makel und vor allem die Debatte um unzureichende Menschenrechte im Emirat.
Mitleid ist ein Gefühl, das Blatter selten entgegenschlägt. Aber es ist die Ironie der einmaligen Funktionärskarriere des Schweizers, dass er ausgerechnet das WM-Gate namens Katar eigentlich nicht zu verantworten hat. Wer sich die Bilder der Verkündung vom 2. Dezember 2010 genau anschaut, sieht dem Machtmenschen Blatter an, dass er wohl lieber einen Zettel mit dem Namen eines anderen WM-Gastgebers aus dem Umschlag gezogen hätte. Ahnte er damals schon, dass ihn diese Entscheidung Kraft, Nerven und vor allem Geld kosten würde? Nun muss er an vielen Fronten Katar verteidigen. Dies tut er aus einer Interessenabwägung. Ein oft geforderter WM-Entzug hätte die FIFA in unkalkulierbare Turbulenzen gestürzt.
Die längst laufenden Diskussionen über Kompensationszahlungen für Top-Ligen und Vereine wegen der Unterbrechung des europäischen Spielrhythmus' sind im Vergleich dazu simpel, werden jetzt aber an Fahrt gewinnen. Die kontroversen Aussagen von FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke (keine Entschädigung) und Top-Club-Vertreter Karl-Heinz Rummenigge (Entschädigung ein Muss) gehören zum Klappern.
Viel deutet daraufhin, dass letztlich die jetzt schon üblichen WM-Abstellungsgebühren massiv erhöht werden. Von 150 Millionen Dollar ist die Rede - 2014 waren es 70 Millionen. Ein solcher Aufschlag für das Winterturnier wäre für die FIFA ein akzeptabler Preis.