Kommentar Extremismus in Deutschland: Wo wir wirklich ansetzen müssen

Meinung | Wuppertal · Verfassungsschützer läuten angesichts von Spionen, Cyberattacken und Zehntausenden Extremisten die Alarmglocken. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Mitnichten. Ein Kommentar.

Die für Sicherheit zuständigen Behörden sind das letzte Glied in der Kette zur Gefahrenabwehr.

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) läutet die Alarmglocke. Der jüngste Bericht der Kölner Behörde gibt offenbar Anlass zur Sorge. Den Erkenntnissen der Verfassungsschützer zufolge wimmelt es in Deutschland gegenwärtig von Spionen, dazu traktieren vor allem Russland, aber auch China und Iran deutsche Institutionen mit digitalen Angriffen. Zu den Feinden von außen gesellen sich weit mehr als 70 000 Extremisten, die sich überwiegend auf religiösen Wahn und Nazi-Kriminelle verteilen. Viele von ihnen sind gewaltbereit. Die Lage ist ernst wie noch nie in der jüngeren Geschichte. Anders lässt sich nicht interpretieren, was Innenministerin Nancy Faeser und BfV-Präsident Thomas Haldenwang präsentierten.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Mitnichten. Einer so großen Zahl von gewaltbereiten Extremisten kann keine demokratisch verfasste Gesellschaft mit 100-prozentiger Sicherheitsgarantie begegnen. Wie verletzlich Staaten wie Deutschland sind, hat jüngst der Mord an einem Polizisten in Mannheim gezeigt. Der Täter hatte sich unbemerkt von der Öffentlichkeit radikalisiert und schlug eiskalt zu. Die Reaktionen darauf waren ebenso erwartbar wie unzureichend.

Die für Sicherheit zuständigen Behörden sind das letzte Glied in der Kette zur Gefahrenabwehr. Und der Druck auf dieses Glied steigt, je schwächer die anderen Glieder sind. Deutschland hat vor dem Hintergrund seiner eigenen Geschichte ein Bildungsproblem, vor allem, was das Verständnis für gesellschaftspolitische Zusammenhänge angeht. Deutschland hat ein Integrationsproblem, vor allem mit jungen muslimischen Männern. Verfassungsschutz und Polizei können die Gefahr ermitteln und eindämmen. Beseitigen können sie das Risiko nicht. Dazu bedarf es der Unterstützung von Schulen und beispielsweise von Islamverbänden. Doch die einen sind überfordert, die anderen anscheinend nicht sonderlich interessiert. Wenn junge Menschen aber nicht lernen, selbst zu denken, zu hinterfragen und zu erkennen, werden sie manipulierbar und leichte Beute für den Extremismus.