Kontraste im WM-Jahr: Pechvogel Reus, Glückspilz Götze
Berlin (dpa) - Für einen kurzen Moment tauchte auch Marco Reus im glamourösen WM-Revival der deutschen Fußball-Champions auf.
Im Weltmeister-Film „Die Mannschaft“, der in Berlin seine Weltpremiere feierte, formieren sich Finalheld Mario Götze und seine 22 Teamkollegen nach dem 1:0 gegen Argentinien in der Umkleidekabine siegestrunken zum Gruppenbild mit dem goldenen Pokal und dem Trikot mit dem Schriftzug „Reus“. Es ist eine rührende Grußbotschaft an den verletzten Dortmunder, der am 13. Juli weit entfernt von Brasilien traurig vorm TV-Gerät sitzt, aber natürlich den Triumph und auch das Tor des Jahres seines Kumpels Götze bejubelt wie Millionen Fans.
Was für ein Kontrastprogramm: Wenn es darum geht, Pechvogel und Glückspilz des glorreichen WM-Jahres unter den Nationalspielern zu benennen, wäre das eine für jeden Fan leicht zu lösende Quizfrage. Bis einen Tag vor dem Abflug des DFB-Teams nach Brasilien war der formstarke Reus ein heißer Kandidat für die Rolle als WM-Star. Dann verletzte er sich im Testspiel gegen Armenien am Fuß, alle Träume des BVB-Stars waren geplatzt.
Und Götze? Nach einem schwierigen ersten Jahr beim FC Bayern München und einem Turnier mit Höhen und Tiefen schlüpfte er als Final-Joker in die Heldenrolle. „Der Held ist ein bisschen übertrieben. Es war nur ein Tor, es war nur eine Weltmeisterschaft, wir haben es als Mannschaft sehr gut gemacht“, erklärte Götze mehr als bescheiden bei der Filmpremiere.
Während der 22-jährige Götze auf dem Roten Teppich in Berlin mit leuchtenden Augen noch einmal die emotionalen Höhepunkte seines Fußball-Sommers Revue passieren lassen konnte, musste Reus dem Bundestrainer eine weitere verletzungsbedingte Absage für die letzten Länderspiele des Jahres gegen Gibraltar und Spanien übermitteln. Eine Bänder- und Sehnenzerrung sowie ein Knochenödem im linken Sprunggelenk zwingen den 25 Jahren alten Borussen-Star erneut zu einer Zwangspause, die diesmal zum Glück nur kurz ausfallen soll.
Bevor die Dortmunder die Diagnose am Tag nach dem 1:0 gegen Borussia Mönchengladbach bekanntgaben, hatte BVB-Coach Jürgen Klopp im Fernsehen noch scherzhaft zu Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff bemerkt: „Wir schicken euch Marco Reus gesund. Wäre cool, wenn ihr ihn uns gesund zurückschickt.“ Schließlich braucht Klopp einen fitten Reus in der Dortmunder Bundesliga-Krise dringender als Joachim Löw.
Reus wird zum nationalen Sorgenkind. Es ist in rascher Abfolge schon die vierte Blessur am linken Fuß. Die Pechsträhne begann im Oktober 2013: Anriss des Innenbandes. Es folgten Juni 2014: Syndesmose- und Bandausriss sowie September 2014: Außenbandteilriss. Konsequenz: Im WM-Jahr kam Reus nur in vier Länderspielen zum Einsatz. Sein letztes von sieben Toren im DFB-Trikot liegt über anderthalb Jahre zurück.
Bundestrainer Löw wollte mit Reus in dieser Woche auch mal unter vier Augen über dessen Zukunftspläne reden. Verlängern in Dortmund - oder dank einer millionenschweren Aufstiegsklausel am Saisonende wechseln? Womöglich sogar zum FC Bayern, so wie Kumpel Götze im Sommer 2013.
Für Götze hat sich der problematische Seitenwechsel von Dortmund nach München inzwischen als karrierefördernde Entscheidung erwiesen. Sein Weltmeister-Tor von Rio wirkt wie eine Initialzündung. „Es war ein unglaubliches Gefühl, mit diesem Tor zu gewinnen“, gab er zu. Das Tor und der Titelgewinn lösten einen Reifeschub aus, auf und auch neben dem Platz, wo sich Götze im zweiten Bayern-Jahr viel offener und zugänglicher präsentiert.
„Es war einfache eine großartige Zeit“, sagte er rückblickend auf die unvergesslichen WM-Tage. 2014 war sein Jahr. In 13 der bislang 15 Länderspiele kam Götze zum Einsatz, mit sechs Treffern liegt er vor dem Jahresabschluss teamintern auf Platz zwei hinter Bayern-Kollege Thomas Müller (8 Treffer). Der verbale Leistungskitzel von Joachim Löw bei der Einwechslung im WM-Finale scheint dauerhaft zu wirken.
„Da hat er die Messlatte hochgelegt“, erinnerte Götze in Berlin noch einmal an die anstachelnden Worte des Bundesrainers, er solle vor den Augen der Welt zeigen, besser als Argentiniens Superstar Lionel Messi zu sein. „Er wollte mir Mut zusprechen“, meinte Götze rückblickend. Kumpel Reus blieb es dagegen ausgerechnet im WM-Jahr verwährt, der ganzen Welt sein ebenfalls außergewöhnliches Können zu beweisen.